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Eberndorfer
Anmeldungsdatum: 10.09.2006 Beiträge: 2267
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Verfasst am: So Apr 12, 2009 6:01 pm Titel: Partner und Störer (Deutsche Afrika-Strategie)! |
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Partner und Störer (Deutsche Afrika-Strategie)!
02.04.2009
BERLIN(Eigener Bericht) - Deutsche Regierungsberater legen Eckpunkte für eine umfassende deutsche Afrika-Strategie vor. Berlin verstecke sich "zu sehr hinter dem Glaubenssatz 'afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme'", erklärt die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Notwendig sei stattdessen eine intensivere Einflussnahme, um die deutschen Positionen südlich der Sahara deutlich zu stärken. Die nationalen Interessen müssen demnach aktiver verfolgt werden. Zu diesem Zweck sollen auch sogenannte Nichtregierungsorganisationen, die bislang zum Teil noch unabhängige Ziele verfolgen, zur Unterordnung unter staatliche Vorgaben gedrängt werden. Die SWP misst der Sicherung von Seetransporten vor den afrikanischen Küsten großes Gewicht bei und äußert Zweifel an der Vorrangstellung, welche die Förderung von "Demokratie" und der "Schutz von Menschen- und Freiheitsrechten" in der Berliner Polit-PR bislang genießen. Daneben rät sie, die deutsche Außenpolitik solle auf die Kooperation mit einflussreicheren afrikanischen Staaten fokussieren und zudem zwischen "Partnern" und "Störern" unterscheiden. Zu den "Störern", die zu bekämpfen seien, zählt sie vor allem Zimbabwe, weil das Land "gegenwärtig am offensivsten als Gegner westlich-liberaler Ordnungsmodelle auftritt".
Ärmer geworden
Ausgangspunkt des vor wenigen Tagen veröffentlichten SWP-Strategiepapiers ist eine illusionslose Analyse der Lage Afrikas unter den Bedingungen der gegenwärtigen Weltpolitik. So bleiben, schreibt die SWP, die Länder südlich der Sahara "die mit Abstand ärmste Region der Welt".[1] "Ein erheblicher Prozentsatz der Bevölkerung" sei "sogar ärmer, als dies zur Zeit der Unabhängigkeit der Fall war". Demnach stieg in den Jahren von 1981 bis 2001 der Bevölkerungsanteil aller Menschen unterhalb der Armutsgrenze von 42 auf 47 Prozent. Die aktuellen Entwicklungsziele (Millennium Development Goals) werden voraussichtlich nur vier Länder wenigstens zur Hälfte erreichen. Trockenheit und Naturkatastrophen könnten die Not künftig sogar noch verschärfen, urteilt die SWP - "vor allem im Sahel-Gürtel und im südlichen Afrika".
Deutsche Interessen
Vor diesem Hintergrund empfehlen die Berliner Regierungsberater, die deutsche Afrika-Politik müsse sich stärker als bisher an deutschen Interessen orientieren. Hohe Priorität schreibt die SWP der Eingrenzung der Migration [2] und der Erhaltung der wirtschaftlich nutzbaren biologischen Vielfalt [3] zu. Geringer stuft das Strategiepapier die Sicherung des Zugriffs auf Rohstoffe ein. Die Autoren verweisen darauf, dass deutsche Unternehmen sowohl in der Erdölbranche als auch bei den metallischen Rohstoffen auf dem Weltmarkt keine bedeutende Position einnehmen. Deshalb könne die deutsche Außenpolitik "nicht daraus bestehen, unmittelbaren Zugang zu den Rohstoffen afrikanischer Länder herzustellen bzw. zu sichern". Berlin müsse vielmehr "europäische" Konzerne nutzen und sich daneben "auf die reibungslose Versorgung des Weltmarkts mit Rohstoffen konzentrieren". Insofern komme der "Sorge für die Sicherheit der Seewege" eine herausragende Bedeutung zu. "Mehr als bisher" müsse sich die Bundesregierung "Gedanken machen, wie diese Sicherheit durch Diplomatie, Entwicklungszusammenarbeit und durch polizeiliche und militärische Maßnahmen" zu gewährleisten sei.
Kulturpolitik
Zweifel äußern die Autoren des Strategiepapiers hingegen an der bisherigen Berliner Polit-PR. Es lasse sich "nach wie vor nicht nachweisen, dass Demokratie und der Schutz von Menschen- und Freiheitsrechten Voraussetzungen für Entwicklung sind", heißt es in dem Dokument. Die SWP empfiehlt deshalb, den Einsatz für Demokratie nicht auf die reguläre Durchführung von Wahlen zu konzentrieren, sondern stattdessen die auswärtige Kulturpolitik, die vor allem der Anbindung ausländischer Eliten an Deutschland dient [4], zu angeblicher Demokratieförderung zu erklären.
Hilfskräfte
Zudem rät die SWP, die Afrika-Politik auf eine Zusammenarbeit mit den einflussreichsten afrikanischen Staaten zu fokussieren. Vor allem Südafrika besitze "sehr hohe Bedeutung" für Berlin, heißt es in dem Papier: Da seine "Kraft zur Gestaltung von Außenpolitik beachtlich" sei, müsse man es zum Partner für die "Mitgestaltung der regionalen und globalen Ordnungspolitik" gewinnen. Als "relativ hoch" stuft die SWP zudem das Machtpotenzial Nigerias ein. Nigeria sei "eine unentbehrliche Ordnungsmacht in Westafrika" und müsse "regional" genutzt werden. Immerhin "mittlere Bedeutung" misst die SWP Ghana, Kenia, Mali und Senegal bei; alle vier Staaten sind bereits jetzt Schwerpunktländer der deutschen "Entwicklungspolitik". "Mittleres" Machtpotenzial wollen die Regierungsberater außerdem in Angola, Äthiopien, Côte d'Ivoire, in der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda und Uganda erkannt haben. Diese Länder seien "ambivalent": Sie stimmten bezüglich Zielen und Interessen nicht unbedingt mit Deutschland überein, zeigten jedoch "einen gewissen Reformwillen".
Gegner westlicher Ordnung
Als "Störer" hingegen gelten der SWP vor allem Zimbabwe ("mittlere Bedeutung") und Sudan, neben Nigeria der einzige Staat in Subsahara-Afrika, dessen Machtressourcen die Berliner Politikexperten als "relativ hoch" einschätzen. Sudan "störe" nicht nur wegen der Menschenrechtsverletzungen in Darfur, sondern auch wegen seiner Unterstützung für Islamisten - und weil das Land "ein Kernland chinesischen Engagements in Afrika" geworden sei.[5] Zimbabwe hingegen "störe", "weil es gegenwärtig am offensivsten als Gegner westlich-liberaler Ordnungsmodelle auftritt und versucht, sich als Vorkämpfer gegen eine vermeintliche neo-koloniale Unterdrückung Afrikas zu positionieren". Das "Störpotential" dieser beiden Staaten müsse "eingehegt" werden, verlangt die SWP. Perspektivisch hält sie die Anbindung Zimbabwes für möglich: Das Land könne "nach einem Regimewandel" sogar "zu einem bedeutsamen Partner deutscher Afrikapolitik werden".[6]
Machtmittel
Um der deutschen Afrika-Politik zu größerer Schlagkraft zu verhelfen, verlangt die SWP eine stärkere Konzentration staatlicher und nichtstaatlicher Mittel. Es gelte nicht nur, die zahlreichen Konflikte zwischen den Ressorts, vor allem zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium, rasch beizulegen. Darüber hinaus sei vor allem die "Abstimmung mit halb- und nichtstaatlichen Akteuren" zu verbessern. Nichtstaatliche Organisationen, etwa kirchliche Entwicklungsdienste, seien finanziell von staatlichen Zuschüssen abhängig und könnten daher zur Unterstellung unter staatliche Ziele veranlasst werden, heißt es in dem Strategiepapier. Die Mobilisierung von Kräften, die bislang nicht vollständig staatlicher Kontrolle unterstehen, für die Zwecke deutscher Einflusspolitik zeigt die unter dem Druck der globalen Konkurrenz erfolgende Umwandlung humanitären Engagements in Machtmittel Berlins.
[1] sämtliche Zitate: Stefan Mair, Denis M. Tull: Deutsche Afrikapolitik. Eckpunkte einer strategischen Neuausrichtung, SWP-Studie S 10, März 2009
[2] s. dazu unser EXTRA-Dossier Festung Europa
[3] s. dazu Die Schatzinsel
[4] s. dazu Dichter und Lenker, Dritte Säule und Aktion Afrika
[5] s. dazu Sudan: Zerfall nicht ausgeschlossen, Hegemonialkonkurrenten und Zerschlagen und neu aufbauen
[6] s. dazu Ein krimineller Plan, Noch nie so günstig wie jetzt und Menschenrechte in Afrika (II)
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57507 |
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