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Tickende Zeitbombe

 
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admin



Anmeldungsdatum: 22.07.2004
Beiträge: 2347

BeitragVerfasst am: Do Jan 08, 2009 8:12 am    Titel: Tickende Zeitbombe Antworten mit Zitat

Während Politiker und Börsenmakler bereits verhaltenen Optimismus verbreiten, kündigt sich ein noch viel heftigerer Finanzcrash an.
Von Rainer Balcerowiak

Wenn im Laufe des Jahres billionenschwere Kreditversicherungen fällig werden, dürfte dem US-Dollar und mit ihm der Weltwirtschaft kaum noch zu helfen sein

Fast scheint es, daß das Gröbste überstanden sein könnte. Mittels Insolvenzen und Fusionen wurde einiges an Luft aus der Finanzmarktblase herausgelassen. Die führenden Industrienationen, aber auch die wichtigsten Schwellenländer haben mit Kapitalhilfen und Bürgschaften in zuvor unvorstellbaren Größenordnungen den Zusammenbruch der nationalen Bankensysteme zunächst verhindert. Ergänzt wird dies durch drastische Zinssenkungen der Zentralbanken, um mittelfristig die restriktive Kreditvergabepolitik der Geldinstitute überwinden zu können. Mit Konjunkturprogrammen sollen zudem die Auswirkungen der Finanzkrise auf die sogenannte Realwirtschaft abgemildert werden. Die besonders im vergangen Quartal arg gerupften Aktienindizes haben sich zu Jahresbeginn deutlich erholt, viele Papiere gelten bereits wieder als »unterbewertet« Drastisch sinkende Rohstoffpreise werden nicht selten als positiv für die weitere konjunkturelle Entwicklung gewertet. Die Inflationsrate sank in Deutschland im Dezember 2008 auf 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat und liegt damit weit unter der von der Europäischen Zentralbank als Indikator für Preisstabilität definierten Marke von zwei Prozent. Der Arbeitsmarkt zeigt sich noch relativ stabil, bisher hat »nur« die Beschäftigung von Leiharbeitern einen regelrechten Einbruch erlitten. Zwar wird für das zweite und dritte Quartal ein deutlicher Anstieg der Erwerbslosigkeit erwartet, für das Ende des laufenden Jahres prophezeien »Wirtschaftsexperten« aber bereits das Ende der Rezession mit entsprechend positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ab Mitte 2010.

Glaube kann bekanntlich Berge versetzen, aber ob er ausreicht, die gigantische Zeitbombe zu entschärfen, die am Fundament des internationalen Finanzmarktes liegt, kann wohl bezweifelt werden. Die Rede ist von jenen etwa 62 Billionen US-Dollar, die als sogenannte Credit Default Swaps (CDS) in den Bilanzen von Banken, Investmentgesellschaften, Versicherungsunternehmen und Industriekonzernen schlummern. Niemand traut sich zu, die Werthaltigkeit dieser Kreditversicherungen auch nur annähernd zu taxieren.

Ein CDS ist eine Art Versicherungspolice gegen Zahlungsunfähigkeit Dritter. Anders als bei herkömmlichen Versicherungen muß dafür aber kein Vermögenswert hinterlegt werden. Die Käufer dieser Papiere müssen Gebühren entrichten. CDS werden seit einigen Jahren als sogenannte Derivate gehandelt, ihr »Wert« richtete sich dabei nach der vermuteten Bonität der zur Versicherungsleistung verpflichteten Unternehmen. Das wäre etwa so, »als wenn eine Versicherungsgesellschaft Schutzpolicen gegen Hurrikanschäden verkauft, ohne über die nötigen Sicherheiten zur Erfüllung etwaiger Ansprüche im Ernstfall zu verfügen«, beschreibt William Engdahl das CDS-Konstrukt auf der Homepage des Kopp-Verlages. Der milliardenschwere US-Finanzjongleur Warren Buffet bezeichnete diese Art der spekulativen Kreditabsicherung bereits 2002 als »finanzielle Massenvernichtungswaffen«.

Der nicht nur von Engdahl befürchtete große Knall kündigte sich bereits durch einige Vorbeben an. Beim weltgrößten Versicherungskonzern AIG, der aufgrund des Handels mit CDS-Paieren vor dem Zusammenbruch stand und nur durch eine Finanzspritze der US-Regierung in Höhe von 60 Milliarden Dollar vor dem sofortigen Kollaps gerettet werden konnte, soll laut US-Medien im Dezember ein weiteres Finanzloch in Höhe von 30 Milliarden Dollar entdeckt worden sein. Auch dabei geht es um Swaps, diesmal im Bereich notleidender europäischer Firmenkredite. Mittlerweile übersteigen die Kreditausfälle bei den Banken die Abschreibungen auf Wertpapiere.

Die Beteuerungen deutscher Politiker und Manager, daß man hierzulande nur peripher von CDS-Risiken betroffen sein werde, klingen eher nach Pfeifen im Wald. An dem einst lukrativen Geschäft ist die komplette Crème de la crème der deutschen Wirtschaft beteiligt, von der der Deutschen Bank bis Porsche, von Allianz bis E.on, Siemens und VW. »Jetzt, da das Schneeballsystem gekippt ist und Milliardenausfälle zu beklagen sind, belasten Unmengen von Ausfallversicherungen die Bilanzen. Auf den Schultern deutscher Banken und Unternehmen ruhen mehr als 100000 CDS-Verträge mit einem nominalen Volumen von rund 890 Milliarden Dollar«, hieß es am Jahresende beim Internetportal »linkszeitung«. Besonders gefährdet seien demnach die Deutsche Bank mit 5893 CDS-Verträgen und 68,5 Milliarden Dollar Nominalwert, die Deutsche Telekom mit 6855 Verträgen (68,4 Milliarden), VW mit 5426 Verträgen und (50,1 Milliarden), Allianz SE mit 2489 Verträgen (25,9 Milliarden) und die E.on AG mit 3402 Verträgen (32,9 Milliarden).

Angesichts der weltweit angenommenen 62 Billionen Dollar scheinen das tatsächlich Peanuts zu sein. Aber es ist eine Illusion, daß sich die deutsche Finanz- und Realwirtschaft vor kollabierenden Märkten in anderen Teilen der Welt abschotten könnte. Bereits der hiesige »Bankenrettungsschirm« würde im Falle seiner mehr oder weniger kompletten Inanspruchnahme alle Dimensionen einer beherrschbaren Finanz- und Wirtschaftspolitik sprengen. Ein CDS-Crash in den USA würde jedoch den Geldkreislauf und mit ihm den internationalen Handel weitgehend zu Erliegen bringen. Keine rosigen Aussichten für die EU und den »Exportweltmeister« Deutschland.

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