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Noch ist nicht aller Tage Abend - Prinzip Hoffnung

 
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Störtebeker



Anmeldungsdatum: 14.05.2006
Beiträge: 1256

BeitragVerfasst am: So Jul 13, 2008 11:40 am    Titel: Noch ist nicht aller Tage Abend - Prinzip Hoffnung Antworten mit Zitat

Wie würden Sie einen Verdacht ausräumen, den jemandem gegen Sie erhebt, der schon andere mit ähnlichen Verdächtigungen über den Tisch gezogen hat? Sie können beteuern, was Sie wollen, man glaubt es ihnen nicht, bevor Sie nicht die Hosen herunterlassen und freiwillig über den Tisch steigen, über den Sie gezogen werden sollen. Genau so scheint es gegenwärtig dem Iran zu ergehen.

In Deutschland hatte Helmut Kohl um der Wiedervereinigung willen die Kernenergie nach dem Motto aufgegeben: “Ihr braucht keine Angst vor uns zu haben, daß wir nicht folgsam seien, denn nun könnt ihr uns jederzeit den Energiehahn zudrehen”. Das geschieht jetzt auf amerikanisch, das heißt, die Preise werden zu Gunsten der notleidenden Finanzwirtschaft hart an der Grenze des noch Erträglichen hochgetrieben, damit die Leute nicht rebellisch werden. Die Grünen haben das ideologisch vorbereitet, die SPD macht in freudiger Erinnerung an “antikapitalistische” Vergangenheiten mit und die CDU stimmte “vernünftigerweise” zu, weil etwas anderes ja doch nicht möglich sei. So wird die energiepolitische Apartheit gegen Deutschland durchgeführt und “mei Mädsche”, jetzt Bundeskanzlerin, darf diese auf dem G8-Gipfel als ihre ureigene Energiepolitik gegen diejenigen verteidigen, welche die Apartheit Deutschland mit Hilfe ihrer Fünften Kolonnen aufgenötigt hatten. Das desinteressierte oder eingeschüchterte Volk frißt die Kröte, glaubt sie aber immer weniger, wie wiederholte Umfragen zur Kernenergie zeigen.

Der Iran zeigt sich - obwohl oft geprügelt, aber eben nicht “umerzogen” - selbstbewußter. Er mißtraut den Sirenengesängen aus Europa: “Wir garantieren Euch die Versorgung mit Kernbrennstoff” (Solana soll sie auf Veranlassung des EU-Ratsvorsitzenden Sarkozy demnächst in Teheran vorsingen). Der Iran will sich diese Versorgung selbst garantieren können, denn er hat, wie eigentlich die ganze übrige Welt, Erfahrungen mit den “Versprechungen” westlicher Garantien. Hatte nicht die UNO - um nur ein Beispiel der vielen, nicht eingehaltenen Versprechungen zu nennen - auf ihrem Gipfel in New York im Jahr 2000 feierlich geschworen, die Zahl der Hungrigen in der Welt in den nächsten 15 Jahren zu halbieren? Seither ist diese Zahl dank westlicher Politik kräftig angestiegen.

Den Ölpreis, der 1996 noch bei 20 US-Dollar pro Faß lag, haben gekonnte Finanzspekulation mit Papier-Öl auf 145 US$ im Jahr 2008 und mehr hochgetrieben - und das ohne, daß eine tatsächliche Öl-Unterversorgung auf dem Weltmarkt erkennbar oder irgendwie nachweisbar wäre. Die Energieversorgung ist eines der politischen Erpressungsinstrumente in de Hand der Hochfinanz. 1,7 Mio. t Biokraftstoffe werden täglich erzeugt. In den USA wandern drei Viertel der gesteigerten Maisproduktion als Bioethanol in den Tank. Die Biosprit-Herstellung ist nach Mitteilung Don Mitchells von der Weltbank zu drei Vierteln für den Anstieg der Lebensmittelpreise verantwortlich (nach Behauptungen der US-Regierung nur zu 3%; doch wer - außer Dummdreisten - glaubt noch Beteuerungen der US-Regierung?). So wurde der Getreidepreis und damit der Hunger in der Welt gezielt hochgetrieben. Der Getreidepreis hat sich seit 2004 verdoppelt, der von Mais stieg in zwei Jahren um 175%, Weizen um 215%, Reis um 243%, Soja um 187% und Zucker um 157%. Und das soll nicht vorhersehbar gewesen sein? Kann jemand, der einem anderen das Messer in den Leib rammt, die Folgen nicht gekannt haben? Die Dickbäuchigen im Westen wollen nun Mal an die Magie des Marktes glauben.

Doch handelt der Iran wirklich selbstbewußter? Erst kürzlich hat die iranische Regierung ein umfangreiches Privatisierungs- und Liberalisierungsprogramm beschlossen und begonnen, es umzusetzen. Danach erlaubt der Iran den uneingeschränkten Verkauf seiner Staatsbetriebe an ausländische Investoren und macht keinen Unterschied mehr zwischen Firmen in ausländischer und inländischer Hand. Er interveniert nur, wenn über 35% eines Wirtschaftszweiges in ausländische Hände geraten und erlaubt uneingeschränkt den Kapital- und Gewinntransfer ins Ausland. Damit entspricht der Iran dem “Washingtoner Konsens” und geht dabei weiter als die meisten US-Satellitenstaaten. Nach Aussagen des Chefs der Privatisierungsorganisation, Gholam Reza Kord Zangaheh sollen bis 2009 230 Staatsbetriebe auf diese Weise über die Theke gehen. Die Nationale Telephongesellschaft macht den Anfang und ermöglicht es demnächst Ausländern, die Telefongespräche im Iran uneingeschränkt abzuhören.

Das klingt nicht gerade selbstbewußt. Damit scheint der Iran doch, ähnlich wie Indonesien oder die Philippinen, seine Industriekapazität dem amerikanischen Finanzkapital gegen wertlose Dollar zur Ausbeutung anzubieten. Und so lobt der Internationale Währungsfonds die Privatisierung in seinem Mai 2008 Review (Artikel 4 der Consultations). Tut der Iran das, um die Bombardierung zu vermeiden und den USA zu ersparen, dem Land wie dem Irak mit Gewalt eine willfährige Marionetten-Regierung aufzuoktroyieren? So könnte es scheinen.

Aber Washington ist an dieser Entwicklung gar nicht interessiert, und findet dafür kein Wort des Lobes. Erst im Mai hatte der US-Kongreß mit der Resolution H.Con.Res. 362 “in the strongest terms” nationale und internationale Sanktionen und ein Handelsembargo gegen den Iran gefordert und die US-Regierung dies in der UNO zum Teil durchgesetzt - und das, obwohl US-Geheimdienste und Mossad durch Agenten in der iranischen Urananreicherung festgestellt hatten, daß der Iran kein Atomwaffenprogramm betreibt. US-Gesetze verbieten es US-Bürgern, im Iran zu investieren. Es geht den USA in der Iranfrage also weder um Atomwaffen noch - wie leichtfertig vermutet wird - um die wirtschaftliche Ausbeutung des Landes. Worum aber dann?

Die wichtigsten Investoren im Iran sind nicht die USA, sondern Rußland, China, Japan und einige europäische Länder wie Deutschland, Italien und Frankreich. Die US-Resolution will diese Länder zum Rückzug zwingen. Die Sanktionen richten sich auch mehr gegen die angeblichen Verbündeten als gegen den Iran, und sie richten sich gegen die zivile Industrie zu Gunsten der Rüstungsindustrie. Der Iran sah sich zum Beispiel aus Vorsorge gegen Konfiskationen gezwungen, 75 Mrd. Dollar aus Europa abzuziehen und zahlreiche gültige Handelsverträge zu kündigen. Außerdem heizt die Kampagne mit der Unsicherheit die Ölpreis-Spekulation weiter an und schafft damit Leuten, die Bescheid wissen, Gelegenheit für gewaltige Insider-Gewinne.

Gleichzeitig üben die USA heftigen Druck auf Rußland aus. Condolezza Rice unterzeichnete nach ihrem Besuch in Georgien am 9. Juli in Prag den Vertrag über die Errichtung eines US-Radarsystems, das russisches Gebiet bis zum Ural bestrahlt. 70% der Tschechen sind gegen den Vertrag und eine Mehrheit im Parlament muß durch geeignete “Angebote” erst noch geschaffen werden, doch die Regierung unterschrieb trotzdem. Auch in Georgien spitzen sich nach ihrem Besuch die militärische Auseinandersetzung mit Rußland wegen der Provinzen Ossetien und Abchasien wieder zu. Der Druck wirkt. Rußland hatte, nachdem die USA dem Land ein Abkommen über die gemeinsame Entwicklung der Kernenergie angeboten hatten, der UN-Resolution gegen den Iran zugestimmt. Vizeaußenminister Sergej Kisljak sprach sich vor der Presse am 10. Juli in Moskau trotz der jüngsten Provokationen der USA für die Fortsetzung des Dialogs mit den USA über strategische Offensiv- und Defensiv-Waffen aus und bietet den USA weiterhin die Mitbenutzung seiner Radarstation Gabala in Aserbaidschan an. Den Russen zum Trost ließ US-Vizeaußenminister William Burns am 9. Juli in Washington verlauten, daß sich das Iran-Problem nur im Einklang mit Rußland lösen ließe. Gleichzeitig lobte David McCormick vom Zentrum für Intern. Strategische Studien die Sanktionen gegen den Iran und meinte sie würden bereits Wirkung zeigen und die Arbeitslosigkeit und Inflation im Land antreiben.

Deutet das an, daß der Irankrieg vermieden wird? Es könnte so sein, aber auch das Gegenteil. Hierzu sind ein paar weitere Entwicklungen in der internationalen Politik beachtenswert. Beim kürzlich erfolgten Regierungswechsel in Taiwan hat der neue Regierungschef Ma Ying Jeou von der traditionell antikommunistischen Kuomintang innerhalb von vier Wochen die Politik des Landes um 180 Grad geschwenkt. Das 60 Jahre alte Verbot der KP wurde für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben, mit Peking wurden erstmalig wechselseitig Verbindungsbüros eingerichtet, und zum Festland der Güter- und Personenverkehr freigegeben und Post- und Fernmeldeverbindungen hergestellt. Taiwan scheint sich aus dem Polizeigriff der Schutzmacht zu befreien.

Im August 2007 hatte die USA versucht, Indien durch einen nuklearen Kooperationsvertrag enger an sich zu binden und das Land gegen Pakistan und China aufzubringen. Der Vertrag bot neueste Nukleartechnologie aus den USA an und verlangte, die indischen Nuklearanlagen nur zur Hälfte (!!) der internationalen Kontrolle zu unterstellen. Als Gegenleistung hatte Indiens Regierung noch im gleichen Jahr begonnen, seinen seit dem Krieg mit China 1962 nicht mehr benutzten Militärflughafen Daulat Beg Oldi, der 8 km von der chinesischen Grenze entfernt in 5000 m Höhe im indischen Teil der unbewohnten Aksai Qin Wüste liegt, wieder in Betrieb zu nehmen und groß auszubauen. Doch hat das indische Parlament das Abkommen bis heute nicht ratifiziert. Statt dessen wendet sich Indien verstärkt China zu und bestärkt das den wechselweisen Besuch höchster Regierungsdelegationen. Indien erweiterte die seit 2003 gepflegte Militärkooperation mit dem Iran und beschloß 2007 eine gemeinsame militärische Arbeitsgruppe mit dem Iran.

Zugleich nehmen die Spannungen zwischen Pakistan und den USA zu, nachdem das “US-Asset”, der Putschgeneral Präsident Pervez Musharraf im November 2007 die Armeeführung abgeben mußte und damit praktisch entmachtet wurde. USA und NATO fliegen inzwischen vermehrt Angriffe bis tief nach Pakistan mit zunehmenden zivilen Kollateralschäden und wirft dem Land immer heftiger vor Taliban und Al Kaida vermehrt zu unterstützen. Nun planen Indien, Iran und Pakistan zu weiteren Annäherung ihrer Länder eine gemeinsame Erdgaspipeline.

Es scheint, Halford Mackinders alter, geostrategischer Plan zur Eroberung des eurasischen Herzlandes durch die angloamerikanischen Seemächte von 1904 wird nun endlich durchschaut und beginnt zu scheitern. Diesen Plan hatte spätestens der erste Direktor der Trilateralen Kommission und frühere Sicherheitsberater, Zbigniew Brzezinski 1997 mit seinem Artikel in Foreign Affärs und in dem Buch “Die einzige Weltmacht” offiziell für die USA geltend gemacht. Er prägte seitdem auch deutlich die veröffentlichte “Sicherheitsdoktrin” der USA. Nach dem Plan sollten die stärksten Mächte des Eurasischen Kontinents gegen einander ausgespielt und dadurch so geschwächt werden, daß sie der Weltherrschaft der Seemächte nichts mehr entgegensetzen können. Der Plan lag den Weltkriegen und dem Kalten Krieg zugrunde. Seit dem selbst inszenierten 9/11 Anschlag und dem Ausrufen des “Kriegs gegen den Terrorismus” wird der Plan zunehmend durchschaut und vor allem durch die Shanghai Cooperation Organisation mit ihren wirtschafts-, energie- und militärpolitischen Abkommen zwischen Rußland und den wichtigsten süd- und ostasiatischen Ländern ausgehebelt.

Die US-Elite steht damit vor einer ähnlichen Frage wie die sowjetischen Generäle in den achtziger Jahren: Sollen wir es zum letzten Gefecht kommen lassen oder das Handtuch werfen. Die Sowjets entschieden sich für das Handtuch. Wie sich die US-Elite entscheiden wird, ist noch unklar. Der Rücktritt des Chefs der Zentralen Kommandos der USA, Admiral William Fallon Mitte März, wegen seines Widerstands gegen einen Iran Krieg und einzelne Stimmen ehemaliger hochrangiger Militärs in den USA wecken Hoffnung. Na denn, hoffen wir und arbeiten wir an einer friedlichen Zukunft mit Wohlstand für alle!


Quelle: Der Spatz im Gebälk
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In einer Zeit des Universalbetruges ist die Wahrheit zu sagen eine revolutionäre Tat (George Orwell)
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