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Man braucht dazu nicht unbedingt einen Irankrieg:

 
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Spitfire



Anmeldungsdatum: 21.02.2006
Beiträge: 402
Wohnort: L.A., California

BeitragVerfasst am: Di Jul 04, 2006 7:17 pm    Titel: Man braucht dazu nicht unbedingt einen Irankrieg: Antworten mit Zitat

Der Spatz im Gebälk - Man braucht dazu nicht unbedingt einen Irankrieg: Das Finanzsystem beginnt zu stinken




“Stellt sie vor ein Exekutionskommando oder schmeißt sie für den Rest ihres Lebens ins Gefängnis” wütete ein Wayne Simmons, der sich selbst als ehemaligen CIA-Agent bezeichnete, im staatstreuen US-Sender Fox TV. Was veranlaßte den Mann, der seinen Job bei der Agentur wahrscheinlich deshalb verloren hatte, weil er sich wie viele andere mit “heißen” Informationen einen kleinen Nebenverdienst verschaffen wollte, zu solch wütenden Ausbrüchen und wer sollte hier standrechtlich erschossen werden? Gegenstand der Wut ist die Veröffentlichung in der New York Times, daß US-Regierungsstellen alle internationalen Banktransaktionen, die bekanntlich über die “Swift”-Agentur in Belgien im Besitz der bekannten internationalen Bankkonsortien abgewickelt werden, einsieht. Daß das nun an die Öffentlichkeit gekommen ist - daher die Aufregung - würde es schwerer machen, den Weg der Geldüberweisungen an Terroristen nachzuverfolgen, meint der Erboste.

In Deutschland sorgte die Meldung, daß die US-Regierung die Konten und Geldtransfers aller überwacht, für erstaunlich wenig Aufregung. Das mag daran liegen, daß hier ohnehin jeder im Grunde damit rechnet aber hofft, die US-Regierung sei so fair, diese Informationen - ähnlich wie die erbeuteten Stasi-Akten - nicht an das deutsche Finanzamt weiterzugeben. In den USA läßt man sich weniger leicht beruhigen und deshalb bekommen Medienstrichjungen den inzwischen üblichen Auftrag, die Wut der Bürger von der eigenen Regierung weg auf die bösen Terroristen und Osama bin Laden zu lenken, als wüßte der angeblich meistgesuchte Terrorist nicht, daß seine Kreditkarte überwacht wird und der Geldautomat, an dem er damit Geld ziehen würde, kurze Zeit später das Ziel einer lasergeführten Rakete wäre. Ich glaube allerdings nicht, daß er der meistgesuchte Terrorist ist und würde ihn irgendwo in Florida suchen oder mit geschorenem Bart auf einem Lehrstuhl in Princeton oder Harvard, wo er als Entlohnung für ähnliche Verdienste wie die Joschkas sich sonnen darf.

Die Geldüberwachung hat mit islamistischen Selbstmordattentätern nichts zu tun, sondern mit dem, was “Nieten in Nadelstreifen” wirklich terrorisiert, nämlich mit dem Geldsystem. Daß dieses System in der “systemischen” Krise steckt, ist keine Außenseiterneuigkeit mehr, wie vielleicht noch vor zehn Jahren. So etwas steht bereits in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dort beschreibt ein Benedikt Fehr wie riskant zum Beispiel der “Risikotransfer” inzwischen geworden sei. Allein die Credit Default Swaps (Kreditabsicherungsgeschäfte) hätten seit Ende 2005 von einer Billion auf 17 Billionen (und er meinte deutsche Billionen) zugenommen. So etwas wäre “an sich” nicht problematisch, meint er, solange die Kredite tatsächlich zurückbezahlt werden. Platzen sie aber mangels objektiver Zahlungsfähigkeit, dann schaukelt sich die Verlustwirkung durch diese Swaps ins Ungeheuere. Und das ist dann wirklich ein Problem.

Wenn nämlich allein nur für diese Swaps 5% Zinsen verlangt werden, wären das schon 850 Mrd. Euro im Jahr, die irgendwo her kommen müssen. Sie bezahlen dafür unter anderem mit der Stromrechnung oder an der Tankstelle. Denn, wie Senator Carl Levin aus Michigan in einer Presseerklärung ausführt, hat die “Finanzmarktspekulation zu den steigenden Gas und Ölpreisen beigetragen”. Er räumte quasi als “offizielle” Stimme mit dem Mythos auf, daß Angebot und Nachfrage die Energiepreise hochtreiben würden, denn die Lagerbestände an Öl hätten ein Acht-Jahres-Hoch erreicht. Vielmehr würden Spekulanten mit Milliarden Dollar auf den Energiemärkten spielen und die Preise pro Faß um mindestens 20 bis 25 Dollar hochtreiben. Er fordert deshalb - wohlgemerkt als freiheitsliebender Amerikaner - eine bessere Überwachung dieser Märkte und dessen, was dort von Geldabschöpfexperten getrieben wird. Wo wird man aufhören, wenn man beim Öl anfängt? Etwa bei den Privatkonten? Oder geht es, wie hierzulande üblich nur darum, arbeitslose Akademiker in einer neu zu schaffenden Dienststellen auf Kosten der Steuerzahler unterzubringen? Hohe Ölpreise kümmern die Regierung wenig, wenn sie nur der “richtigen” Wirtschaft, der angeschlagenen Finanzwirtschaft zugute kommen. Was Kummer macht sind die unausgewogenen Geldströme.

So wundert sich zum Beispiel selbst die Europäische Zentralbank (EZB): Zwar stagniere die Wirtschaft bedauerlicherweise, aber trotzdem vermehre sich das Geld in bisher ungeahnter Weise. Die Geldmenge M3, über die in den USA aus guten Gründen der Staatsträger nicht mehr öffentlich berichtet wird, habe in diesem Jahr bereits um 8,9% zugenommen. Das sei das Doppelte dessen, was man sich als Richtwert wünschte. Wo geht nur all das frisch gedruckte (also elektronisch produzierte, nicht mehr auf Papier) Geld hin, und wer “druckt” es? Wäre es die EZB selbst, könnte sie sich an ihre Richtwerte halten. Geld gedruckt wird bekanntlich von den privaten Geschäftsbanken; die EZB ist dabei nur ein Dienstleister.

Wo das Geld hinfließt, weiß natürlich die auch FAZ: Es fließt zur Zeit vornehmlich in Private Equity-Fonds. Ihnen sollen in diesem Jahr trotz inzwischen wieder fallender Renditen allein 1,3 Billionen US-Dollar zugeflossen seien. Diese Fonds, neuerdings auch als “Heuschrecken” bekannt, sind reine Aufschuldungsinstrumente. Sie finanzieren Firmenübernahmen durch Schulden, die sie nach der Übernahme der jeweiligen Firma aufbürden. Dadurch greifen sie den gesamten Cash Flow (Gelddurchfluß) der Firma ab, so daß das übrig bleibende Geld für überhöhte Gehälter und Abfindungen an Manager (eine Art Schweigegeld) reicht, aber nicht mehr für Investitionen. Deshalb sind danach auch so genannte “Reformen” nötig, um “zur Erhaltung der Firmen” kräftig an den Löhnen und Sozialkosten zu sparen.

Mit der innovativen Form der Aufschuldung durch Equity Fonds, die an der “normalen” Bonitätsbewertung eines Betriebs durch die Geschäftsbanken vorbeigeht (zu diesem Zweck wurden sie von den Banken über Strohmänner gegründet), ließen sich in letzter Zeit zweistellige Renditen ergaunern. Wenn aber die Zinsen weiter steigen, dann reicht der aufgrund der “Reformen” erpreßte Cash Flow für den Schuldendienst nicht mehr aus, dann helfen auch staatliche Subventionen kaum mehr über die Runden. Denn bei schrumpfender Nachfrage für reale Güter versiegt der Geldzufluß in die Betriebe so schnell, daß man dem kaum mehr rechtzeitig durch den Abbau von Arbeitsplätzen zuvorkommen kann. Die in Umverteilung geübte Regierung verschärft den Prozeß, in dem sie ihrerseits über Steuern und Gebühren die zahlungsfähige Nachrage nach Gütern bremst. Die dadurch ermöglichten höheren Gewinne werden aber nicht “realisiert” sondern “monetarisiert”, das heißt schaffen eine zahlungsfähige Nachfrage nicht nach Gütern (produktive Investitionen - wofür auch, wenn keiner kauft), sondern nach Finanzschnäppchen. Von deren Wertzuwachs schließen die Experten auf den Erfolg der Wirtschaft - und davon lebt die Wiederwählbarkeit der staatstragenden Parteien und Volkszertreter.

Gar so schwarz will allerdings - ebenfalls in der FAZ - ein Henry Gibbon von Thomson Finanz noch nicht sehen. “Die Industrieunternehmen sind immer noch in einer guten Verfassung, was die Höhe der Verschuldung angeht”. Ein Widerspruch? Wahrscheinlich eher Zweckoptimismus. Mr. Gibbon meint die großen Industrieunternehmen, die sich in den letzten Jahren angesichts der schrumpfenden, zahlungsfähigen Nachfrage nach Gütern umorientiert, das heißt kräftig gesund geschrumpft haben (wieso gäbe es sonst so viele Arbeitslose?). Diese Firmen haben sich mit dem Eingesparten entschuldet und dazu noch viel Geld auf die hohe Kante gelegt. Mit diesem Geld soll das Gesundschrumpfen, wenn auch unter einer gefälligeren Bezeichnung im großen Stil weitergeführt werden. Stephan Leither, der Leiter der Abteilung Global Banking bei der ehemals Deutschen Bank drückt es so aus: “Der europäische Konsolidierungsprozeß gewinnt an Bedeutung”.

Im ersten Halbjahr 2006 hätten Firmen aus eigener Kasse 697 Mrd. US-Dollar zum Aufkauf ihrer Mitbewerber ausgegeben. Insgesamt seien 1,73 Billionen im Fusionsfieber allein in Europa verbraten worden. Diese Gelder “kurbeln” nicht die Wirtschaft an, wie “Experten” meinen, sondern sie kurbeln sie eher ab. Man übernimmt den Mitbewerber des “Synergie-Effekts” wegen, das heißt, man bedient den Markt beider Fusionskandidaten und konzentriert die Produktion bei einem. Da Großunternehmen mehrere Produkte herstellen, läßt sich das etwas unauffälliger so gestalten: “Du konzentrierst Dich auf das, wir auf den Rest; Arbeiter entlassen wir beide”. Besonders gefragt sind beim Schacher mit Betrieben vor allem Versorgungsunternehmen für Energie und Wasser.

Die FAZ fragt sich und ihren Leser nicht, warum das wohl so ist. Deshalb spart sie auch die Frage aus, weshalb das Gleiche nicht auch für die Lebensmittelbranche gilt. In der Krise wird ja, wenn man sich schon gar nichts anderes mehr gönnen kann, neben Fernsehgucken und Trinken wenigstens noch gegessen? Doch kann nur ein Uninformierter solche Fragen stellen. Seit Henry Kissinger für die USA 1974 die Nahrungsmittelwaffe öffentlich verkündigt hatte, wurde die Nahrungsmittelindustrie systematisch zentralisiert. Kissinger soll damals in diesem Zusammenhang sinngemäß gesagt haben: “Hat man das Öl in der Hand, dann beherrscht man Nationen, hat man die Nahrungsmittel, beherrscht man auch deren Bevölkerungen”. Nun wird jeder einwenden: “Also bitte, mein Bäcker an der Ecke gehört zwar einer Kette an, aber diese Kette ist klein und überschaubar, und nicht jede Wurstfabrik gehört zu Unilever oder Nestle”. Das stimmt zwar, wenn auch nur zum Teil, aber Nahrungsmittel werden vor allem am Ursprung “kontrolliert”. Nein nicht beim Bauern, sondern beim Saatgut, nicht beim Metzger, sondern beim Zuchtbetrieb und den dazu erforderlichen Voraussetzungen, und schließlich - um das ganze wasserdicht zu machen - über die gentechnischen Patente auf das Erbgut wesentlicher Tier- und Pflanzenarten. Hierbei gibt es allerdings noch einige undichte Stellen, die den Bankierssozialisten noch Kopfzerbrechen machen, weil ihnen die Zeit davonzulaufen droht. Ihre Uhr richtet sich nämlich, deshalb sind sie Bankiers, nach dem Geld. Wenn der Geldschwindel auffliegt, sollte die reale Wirtschaft unter Dach und Fach sein. Das aber ist sie noch nicht ganz.

Deshalb klagte wohl der Staatssekretär Dr. Thomas Miro im Bundesfinanzministerium am 21.06. des Jahres auf einer Tagung der Friedrich Ebertstiftung: “Die Gefahr besteht ja immer, daß wir uns auf die vergangene Krise vorbereiten, aber die kommende Krise ist immer ganz anders als die letzte. Natürlich sitzen wir mit den Finanzministern, Zentralbanken, und Regierungsbehörden im Financial Stability Forum, aber wir haben dort keine Antwort auf die kommende Krise. Ich kann mir das nur so vorstellen: Wenn es kracht, dann hängen wir uns alle ans Telefon und telefonieren alle mit einander - und dann muß uns etwas einfallen”. So viel Naivität bleibt europäischen Politikern vorbehalten. In den USA plant man so etwas, wie zum Beispiel die Krise von 1929, den 2. Weltkrieg oder den Überfall auf Afghanistan oder den Irak langfristig vorher. Das erfährt vorher zwar niemand, doch hinterher sickert es allmählich für diejenigen durch, die sich noch “für den Schnee von gestern” interessieren und nicht nur für die neugeschaffenen Tatsachen. Vielleicht will man deshalb in Washington die Kontenbewegungen der Menschen so genau verfolgen.
Jüngste Vorgänge in Israel zeigen, daß man nicht unbedingt auch noch den Iran überfallen muß, um den Nahen Osten zu “bagdadisieren” und so die Unterhaltungsmusik bei der schmerzlichen Systemumstellung zu dirigieren. Eines ist aber richtig, die Zeit läuft davon, wo sie hinläuft, das bestimmen Sie durch Tun und Nichtstun mit.


Quelle: Der Spatz im Gebälk 02.07.06
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“Wenn ein Volk seit 3000 Jahren verfolgt und geächtet wird, dann muss dass wohl irgend einen Grund haben”.
Henry Kissinger
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Eichenholz



Anmeldungsdatum: 01.07.2006
Beiträge: 203
Wohnort: Großdeutschland

BeitragVerfasst am: Di Jul 04, 2006 7:53 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Sehr guter Beitrag.

Die Geldmenge M3 wächst nicht durch Drucken von Geld bzw. Bereitstellen von neuem Buchgeld, sondern durch die hohe Umlaufgeschwindigkeit des Geldes.
Inflationsgefahren wachsen derzeit nicht durch ein hohes realwirtschaftliches Wachstum mit entsprechender Geldnachfrage, sondern durch die enorme, z.T. extrem kurzfristige Spekulation, die zu dieser rasenden Umlaufgeschwindigkeit führt.

Möglich wurde diese “neue” Finanzwirtschaft” durch die elektronischen Medien. Geld kann heute x-mal am Tag bzw. rund-um-die-Uhr weltweit ständig in Bewegung gehalten werden. Das ging mit den alten Goldkisten nicht so schnell.

Bisher haben sich alle Staaten irgendwann durch Inflation ihrer Schulden entledigt

(außer Schweiz, geht in der direkten Demokratie nicht so einfach. Außerdem hat die Schweiz früher auch keine Schulden gemacht, da alle Haushalte dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wurden. Sieht heute wegen der Umklammerung durch die EU (und anderer) auch anders aus).

Vielleicht wird der Zeitpunkt für die Inflation so gewählt, daß die realen Güter so einigermaßen in der “richtigen” Hand sind. Kauforgien bezüglich deutscher Wohnimmobilien haben wir in den letzten Jahren ja erlebt, nicht zuletzt in Dresden.
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