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Iraq: "Einige von uns wurden zu Tode gefoltert"

 
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admin



Anmeldungsdatum: 22.07.2004
Beiträge: 2347

BeitragVerfasst am: Di Jan 17, 2006 3:55 pm    Titel: Iraq: "Einige von uns wurden zu Tode gefoltert" Antworten mit Zitat

Interview mit Abduljabbar al-Kubaysi, Vorsitzender der Irakischen Patriotischen Allianz (IPA), der Ende Dezember 2005 nach 16 Monaten Gefangenschaft im Irak frei gelassen wurde.

"Die Verhöre und alles, was dazu gehört, waren eine Qual. Diejenigen, die uns verhörten, wechselten ständig, die Verhöre, die wir mit verbundenen Augen und mit gefesselten Händen und Füßen durchstehen mussten, dauerten mehr als zwanzig Stunden. Für die Verhöre war eine Gruppe von vier Amerikanern vom CIA oder einer anderen Instanz zuständig. Sie wollten von uns Informationen über den Widerstand oder über die Moscheen in Falluja und ähnliche konkrete Dinge. Bald aber drehten sich die Diskussionen um die Frage der Besatzung.“ (Abduljabbar al-Kubaysi nach seiner Freilassung)

Kulu al-Arab: Können Sie uns über Ihre Zeit in der Gefangenschaft erzählen?

Abduljabbar al-Kubaysi: Ich wurde 16 Monate im Gefängnis am International Airport Bagdad gefangen gehalten . Dort ist das Camp Cropper, das auch der größte Stützpunkt der Amerikaner im Irak ist. In der ersten Zeit zeigten mir die Amerikaner, die mich verhörten, Dossiers, von denen sie behaupteten, dass sie Informationen über mich seit 1960 enthielten. Die mehr oder weniger ständig stattfindenden Verhöre dauerten sechs Monate und waren politischer Natur. Sie befragten mich sogar über arabische und ausländische politische Persönlichkeiten. Am Ende sagten sie mir, dass sie nichts davon glauben würden, was ich ihnen gesagt hatte. Meine Antwort war: „Das ist euer Problem.“

In den ersten sechs Monaten steckten sie mich in einen hölzernen Verschlag, der sich in einer etwas größeren Zelle befand. Die allerersten elf Tage musste ich sogar in einer hölzernen Schachtel zubringen, in die ich kaum hineinpasste.

Nach diesen sechs Monaten wurde ich transferiert und kam mit anderen politischen Gefangenen zusammen. Während meiner Gefangenschaft konnte ich mit allen von ihnen sprechen, außer mit Tareq Aziz und Taha Yasin Ramadan. Ich sprach oft mit Qays al-Aazami, Humam Abdel Kader, Humam Abdel Jalek, Abdel Atawab Hwich, Ahmed Mortada, Hussam Mohamed Amin, Sutam al-Hammud und Abd Hammud sowie mit mehreren Beamten des irakischen Geheimdienstes. Insgesamt waren in diesem Gefängnis 103 Gefangene.

Bevor sie uns freiließen, fragten sie, ob wir bestimmte Wünsche bezüglich unseres zukünftigen Aufenthaltsortes hätten. Ich und fünf andere wählten Bagdad, fünf andere Tikrit, wieder andere Aman. Unter ihnen waren Huda Saleh Ammash und Rihab Taha, die Mordanschläge durch die Sadr Brigaden befürchteten.

65 Gefangene – führende Politiker der ehemaligen Regierung und Mitglieder der Baath Partei – sind noch im Gefängnis am Flughafen und warten auf Verurteilungen. Es ist aber wahrscheinlich, dass einige von ihnen frei gelassen werden, wie Mohamed Mahdi Saleh (ehemaliger Handelsminister) Abdel Atawab Hwich und Saad Abdel Majid al-Faysal, die im Außenministerium arbeiteten, Fadel Mahmud Gharib und Jalil Sarhan, Führungsmitglieder der Baath Partei, sowie Hamed Challah, Kommandant der Luftwaffe. Zwölf Gefangene, die bisher noch keinem Richter vorgeführt wurden, können dies für die nächste Zeit erwarten.

Nun zur Gefangenenanstalt. Wesentlich für diese ist, dass sie vom Rest der Welt völlig isoliert ist. Der Gefangene sieht vorerst nur amerikanische Soldaten. Erst später wurde mir und anderen Gefangenen Kontakt zu unseren Familien erlaubt. Ich durfte alle 40 Tage zehn Minuten Familienangehörige sehen, andere zwanzig Minuten alle vier Monate. Diese Maßnahmen galten für uns alle.

Kulu al-Arab: Wie wurden Sie von den Besatzern unmittelbar vor Ihrer Freilassung behandelt?

Abduljabbar al-Kubaysi: Vor meiner Freilassung legten mir die Amerikaner eine Erklärung gegen die Anwendung von Gewalt zur Unterschrift vor. Diese Erklärung beinhaltete auch das Versprechen, nicht gegen die irakische Regierung und die multinationalen Besatzungssoldaten vorzugehen. Sie verlangten von mir die Zusicherung, dass ich mich jeder Aktivität gegen sie widersetze und dass ich all dies vor den irakischen Sicherheitskräften bekräftige. Weiters wurde von mir verlangt, dass ich für eineinhalb Jahre keinerlei politische Stellungnahmen in den Medien abgeben dürfe.

Ich fragte sie, ob sie wirklich glaubten ich würde nun mit ihnen zusammen arbeiten, und ich verweigerte meine Unterschrift unter diese Erklärung. Ich fragte den US-General auch, warum sie glaubten, sie könnten mich jetzt zu ihrem Spion machen, nachdem ich so viel Zeit als ihr Gefangener verbracht hatte, gerade weil ich die Zusammenarbeit mit ihnen verweigerte. Und ich fügte hinzu:

„Glaubt ihr wirklich ich kann darüber schweigen, was in meinem Land vorgeht?“ Dann verließ ich das Zimmer und ging in meine Zelle. Der General kam mir nach und sagte, ich solle ausstreichen, was ich nicht in der Erklärung haben wolle, und unterschreiben, was ich möchte.

Das Dokument beinhaltete einen Absatz über die „Unterstützung einer nationalen Versöhnung in einem geeinten Irak“ und einen anderen, der festhielt, dass ich davon informiert worden sei, „dass die Baath Partei gesetzlich verboten wurde“. (Anm.: Kubaysi selbst arbeitete im Irak seit 25 Jahren gegen das damals herrschende Regime und seine Partei!)

In einem weiteren Punkt wurde ich aufgefordert mich jederzeit bereit zu halten, um vor einem Gericht zu erscheinen, sofern dies notwendig wäre. Und das, obwohl ich mich während der gesamten Zeit meiner Inhaftierung in Briefen an das Internationale Rote Kreuz bemühte, entweder meine Freilassung oder eine Verhandlung vor einem irakischen Richter zu erreichen. Ich konnte diese drei Punkte unterschreiben und strich alles andere durch.

Als ich das Gefängnis verließ, gaben sie mir ein Zertifikat, das bestätigte, dass ich ihr Gefangener gewesen war und eine Telefonnummer, die ich im Falle einer neuerlichen Verhaftung wählen sollte.

Kulu al-Arab: Wie verliefen eigentlich die Verhöre genau?

Abduljabbar al-Kubaysi: Die Verhöre und alles, was dazu gehört, waren eine Qual. Diejenigen, die uns verhörten, wechselten ständig. Die Verhöre, die wir mit verbundenen Augen und mit gefesselten Händen und Füßen durchstehen mussten, dauerten mehr als 20 Stunden. Für die Verhöre war eine Gruppe von vier Amerikanern vom CIA oder einer anderen Instanz zuständig. Sie wollten von uns Informationen über den Widerstand oder über die Moscheen in Falluja und ähnliche konkrete Dinge. Bald aber drehten sich die Diskussionen um die Frage der Besatzung und um das Geld, das die Besatzer dem Irak raubten. Einmal sagte ich dem, der mich gerade verhörte, dass sie Diebe seien, was er als Lüge zurückwies. Da musste ich ihm es noch direkter sagen, nämlich, dass er, sein Vater und sein Präsident alle Diebe seien.

Um meine Inhaftierung zu rechtfertigen, wurden einige Anschuldigungen vorgebracht, die aber nie als Anklagen formuliert wurden. Sie konnten keine Anklagen konstruieren, weil sie selbst wussten, dass ihre Anschuldigungen nicht wahr waren und nicht etwa, weil ich sie stets zurückwies. Sie beschuldigten mich der Mobilisierung arabischer und europäischer Kräfte gegen die Besatzung. Sie warfen mir Treffen mit Saddam Hussein vor, die ich mit ihm gehabt hätte, um den Widerstand für die Zeit unter der Besatzung zu organisieren. Weitere Anschuldigungen machten mich zum politischen Koordinator der Islamisten, der Sadristen und der Baathisten neben meiner Tätigkeit als politischer Theoretiker des Widerstands.

Einer der Leute, die mich verhörten, legte mir Artikel, die ich geschrieben hatte als Beweis für meine Arbeit als politischer Theoretiker des Widerstands vor. Es waren Texte, die sich mit den Bedingungen auseinandersetzten, die ein Ende der Besatzung möglich machen sollten. Ich gebe zu, dass ich den Widerstand unterstütze und unterstützen werde, bis der letzte amerikanische und iranische Soldat das Land verlassen hat, aber andererseits weiß ich nicht, wer aller Teil des Widerstands ist.

In einigen Artikeln schrieb ich, dass vier Bedingungen erfüllt werden müssten, um die Besatzung zu beenden. Erstens muss sich die militärische Aktivität des Widerstands geographisch ausweiten und wachsen, sodass es ein nationaler Widerstand ohne religiöse Differenzen wird. Zweitens müssen die Aktionen qualitativ verbessert werden, damit den US-Streitkräften sowohl in menschlicher als auch in materieller Hinsicht größerer Schaden entsteht. Drittens darf der Irak nicht von seiner Umgebung isoliert werden, weder durch die Geschichte noch durch (regionale) geopolitische Überlegungen, das heißt, die Ereignisse im Irak haben ihre Auswirkungen auf die gesamte Region. In Hinblick auf diese Auswirkungen müssten die Regierungen in diesem Raum, die sich zu den USA loyal verhalten, der Bush-Administration das Risiko erklären, das sie eingeht, wenn sie weiterhin den Irak besetzt hält und somit als Konsequenz den irakischen Widerstand stärkt Sie müssten den USA die Augen öffnen und ihnen die Gefahr zeigen, die für das zionistische Gebilde in Palästina ausgeht, das sie mit ihrem Krieg eigentlich beschützen wollen. Viertens hat die USA ihre Glaubwürdigkeit verloren. All dies zusammen wird in den USA dazu führen, dass der Widerstand gegen die Besatzung und den Krieg im Irak wachsen wird.

Ich wurde auch gefragt, warum ich nicht gegen die Besatzung durch den Iran kämpfen würde. Meine Antwort war, dass sich die iranische Besatzung von selbst erledigen wird sobald die Amerikaner den Irak verlassen. Sie hat im Windschatten der US-Besatzung in geringem Ausmaß im Land Fuß gefasst und wird auch mit dieser verschwinden. Die iranische Besatzung wird von den US-Soldaten geschützt und von den Millionen Dollars aufrechterhalten, die in die iranischen Geheimdienste und deren Unterorganisationen fließen.

Die Antwort darauf war, dass mit dem Ende der Besatzung ein Bürgerkrieg ausbrechen könnte. Ich sagte daraufhin: „Verschwindet und lasst uns uns gegenseitig töten. Im Iraq haben wir uns nie exklusiv als Schiiten und Sunniten empfunden. Erst als ihr gekommen seid und uns die iranische Regierung von al-Jaafari und die iranischen Parteien gebracht habt, begannen wir auf diese Unterscheidung zu hören. Das alles wird ein Ende haben, wenn ihr verschwindet. Ihr seid der Feind und eure Vertreibung ist der einzige Weg, der uns offen steht, und das wird nur durch den Widerstand möglich sein.“ Bald beleidigten wir uns gegenseitig, und ich sagte, dass mein Verhörender nichts anderes tun könnte als mir eine Kugel durch den Kopf zu jagen, um mich zum Schweigen zu bringen.

Später verhörte mich ein anderer CIA-Agent und sagte mir, dass der Irak in Gefahr und die USA in großen Schwierigkeiten wären, und dass er unsere Analyse der Situation respektieren würde. Er versprach sie an Washington weiter zu leiten.

Kulu al-Arab: Wie schaut es mit der Anwendung von Folter in diesem Gefängnis aus?

Abduljabbar al-Kubaysi: Bis auf vier Menschen habe ich persönlich niemanden gesehen, der gefoltert wurde. Ich sah Taha Yasin Ramadan, den Vizepräsidenten der Republik, blutüberströmt, wie er versuchte seine Wunden mit Wasser und Salz zu reinigen. Folteropfer, die ich gesehen habe, sind weiters Jamis Sarhan von Falluja, Führungsmitglied der Baath Partei, Dr.Hazem Achaij Arrawi, ein Wissenschaftler und Mohamad Al Saghir, ein Mitglied des Geheimdienstes.

Wenn ich von diesen Menschen erzähle, spreche ich nicht nur von den üblichen Methoden wie die Augen zu verbinden, die Hände zuerst hinter dem Rücken zusammen zu binden und dann an die Füße zu fesseln und in dieser Stellung tagelang in einem kleinen hölzernen Verschlag fest gehalten zu werden. Das sind die Qualen, die wir alle während der Tage der Verhöre erleiden mussten.

Wenn wir aßen, mussten wir es mit gefesselten Händen und verbundenen Augen tun. Der einzige Unterschied war, dass die Hände nicht hinter dem Rücken sondern vorne gefesselt waren, und so mussten wir blindlings irgendwie an das Essen kommen.

Kulu al-Arab: Ist jemand an den Folgen der Folter gestorben?

Abduljabbar al-Kubaysi: Ja, es starben einige Menschen an den Folgen der Folter, unter ihnen Adel Al-Duri, der über sechzig war. Er war Führungsmitglied der Baath Partei. Hamza Zubeidi, der ehemalige Premierminister, war schon über siebzig, und Waddah Achaij war ein 58jähriger Sicherheitsbeamter.

Kulu al-Arab: Wie viele hochrangige Gefangene waren in diesem Gefängnis?

Abduljabbar al-Kubaysi: Es waren 103 Gefangene. Dann waren noch die Mitglieder des Widerstands, die von den anderen isoliert in einem Pavillon waren, so wie ich in den ersten sechs Monaten. In dieser Gruppe waren an die siebzehn Männer und neun Frauen. Als ich entlassen wurde, waren sie immer noch in Isolationshaft und wir wissen nicht, was mit ihnen passiert ist.

Kulu al-Arab: Neben Folterungen gab es auch Bestechungsversuche. Haben Sie das auch erlebt?

Abduljabbar al-Kubaysi: Natürlich. Sie boten mir Geld und Positionen in der neuen Regierung an. Sogar mehr als das. Sie sagten mir: „Du kannst uns kritisieren, aber gib uns dein Einverständnis für die Teilnahme am politischen Prozess und den Wahlen im Dezember 2005.“ Ich lehnte ihr Angebot ab und deshalb, so wurde mir gesagt, würde ich bis nach dieser Wahl nicht frei gelassen werden. So war es dann auch. Ich sagte ihnen auch, dass ich für den Widerstand wäre und wenn es dreißig Jahre dauern würde, würde ich sie bekämpfen. Einer der Generäle antwortete mir mit folgenden Worten: „Stell zwei Bataillone auf und kämpfe gegen uns, aber schreibe nichts über uns.“ Darauf konnte ich nur sagen: „Ich bin kein Kämpfer mit dem Gewehr und ich bin schon über sechzig. Das einzige, was ich tun kann ist schreiben. Und das werde ich auch weiterhin tun.“

Kulu al-Arab: Was sind die größten Probleme für die Gefangenen?

Abduljabbar al-Kubaysi: Die Ernährung. Die Gefangenen müssen unglaublichen Hunger erleiden. Sie gaben uns je einen Löffel Reis, ein bisschen Getreide und ein Stück Fleisch. Ich übertreibe nicht. Als sie den Speiseplan änderten, bekamen wir drei Löffel Nudeln. Wie es in den Briefen der Gefangenen an das Internationale Rote Kreuz klar zum Ausdruck kommt, ist der Hunger eines der größten Probleme der Gefangenen.

Das Interview wurde auf al-Basra.net erstmalig publiziert.
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