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FED - EZB, ungleiche Partner

 
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admin



Anmeldungsdatum: 22.07.2004
Beiträge: 2347

BeitragVerfasst am: Fr Okt 28, 2005 8:40 pm    Titel: FED - EZB, ungleiche Partner Antworten mit Zitat

Die Fed und die europäische EZB haben als Notenbanken den gleichen Job – doch die eine vertritt den größten Schuldner der Welt, die andere einen verkniffenen Gläubiger

Er ist Universitätsprofessor, als Politiker kaum hervorgetreten, mit 51 Jahren vergleichsweise jung und auch nicht so vermögend wie Alan Greenspan. Obwohl er sich in fast jeder Hinsicht von seinem Vorgänger unterscheidet, betonte Bernard S. Bernanke bei seiner Vorstellung als künftiger Chef der US-Zentralbank Fed am Montag nur eins: Er wolle die Politik der Greenspan-Jahre fortsetzen. Sicherlich gehört sich ein solcher Satz, wenn man einen erfolgreichen alten Mann ablösen darf. Aber: Welche Politik ist damit gemeint? Ist sie spezifisch amerikanisch? Und – stimmt seine Ankündigung überhaupt?


Inflationsbekämpfung

Im Zentrum der Geldpolitik in den kapitalistischen Metropolen steht seit Ende der siebziger Jahre die Bekämpfung der Inflation. Denn, so die herrschende Theorie, langfristig sei für die Entwicklung der Wirtschaft ohnehin nur das Wachstum des Produktionspotentials entscheidend, die Investitionen in »Realkapital« und in »Humankapital«. Die Banken lieferten mit ihren Krediten nicht mehr als das nötige Schmiermittel. Man müsse nur dafür sorgen, daß von diesem Hilfsstoff »Geld« nicht zuviel in Umlauf kommt.

Soweit die Theorie. Eine moderne bürgerliche Zentralbank ist damit alles andere als neutral. Denn als entscheidend für »die Wirtschaft«, also »uns alle«, gelten die Investitionen, die nur möglich sind, wenn Gewinne gemacht werden. Löhne und Gehälter dagegen sind – langfristig betrachtet – nur eine Last, eine Verminderung des möglichen Wirtschaftswachstums. In der Praxis wird diese einseitige Haltung noch verschärft. Denn die Zentralbanken in aller Welt gehen davon aus, daß überzogene Lohnerhöhungen die entscheidende Ursache für Preissteigerungen sind. Um die Stabilität der Preise zu verteidigen, müssen sie gegensteuern, wenn Gewerkschaften zu große Erfolge haben, das heißt, wenn sie überhaupt Erfolge haben.
Gegenüber den Vermögensbesitzern aller Art nehmen sie eine andere Haltung ein. Auch hier bestehen zwar zuweilen Zweifel, ob die Summen gerechtfertigt sind, zu denen Immobilien oder Wertpapiere den Eigentümer wechseln. Das Wort von einer drohenden »Blase« am Immobilien- oder Aktienmarkt macht regelmäßig die Runde. Doch sehen sich die Zentralbanker ganz außerstande, in diesem Falle eine objektive Grenze zwischen berechtigten und unberechtigten Preissteigerungen zu ziehen. Denn nur der Markt könne entscheiden, welcher Preis der richtige ist. Mag sein, daß die Marktteilnehmer zuweilen irren. Doch auch dann will man nicht zu streng mit ihnen verfahren, da von ihnen nun einmal die ganze Wirtschaft abhängt.

Deshalb hat Alan Greenspan nie gezögert, Geld in die Hand zu nehmen und stabilisierend in die Kapitalmärkte einzugreifen, trotz aller Bedenken wegen möglicher Gefahren für die Stabilität des Preisniveaus. Schließlich ist die Inflationsbekämpfung für die Wirtschaft da, und nicht umgekehrt. Mit den Krediten an gescheiterte Spekulanten kaufte die Fed immer wieder Zeit für eine Marktberuhigung: 1987 beim »Schwarzen Montag«, 1998 beim Crash des Hedgefonds LTCM, und 2002 bei der Abwicklung der New Economy. Die Flexibilität Greenspans und der Fed im Umgang mit den Finanzmärkten ist legendär.

Demgegenüber gilt die Europäische Zentralbank EZB eher als unbeweglich, geprägt von sturen Deutschen und doktrinären Franzosen. Dabei unterscheiden sich weder die Zielstellungen noch die Herangehensweisen beider Zentralbanken wesentlich. Sie haben feste inflationsfeindliche Grundsätze und tasten sich durch das Tagesgeschäft. Aber die Unternehmenskultur ist unterschiedlich. Während die Fed die Protokolle ihrer Entscheidungsgremien inzwischen zeitnah veröffentlicht, um die Märkte über ihre Motive zu informieren, referiert die EZB lieber ausführlich ihre geldpolitischen Grundsätze. Bei allen Klagen über die Intransparenz der EZB weiß man aber diesseits wie jenseits des Atlantik immer so ungefähr, welche Zinssätze in nächster Zukunft zu erwarten sind.


Nur die gleiche Aufgabe

In den zwei wichtigsten Währungsgebieten haben Fed und EZB den gleichen Job. Aber wenn zwei das gleiche tun, so ist es noch lange nicht dasselbe. Denn die Fed organisiert das Geldwesen der Nation mit den höchsten Verbindlichkeiten der Welt. Wie alle großen Schuldner kann sie sich etwas Großzügigkeit leisten, weiß sie doch, daß auch die Gläubiger von ihr abhängig sind. Die EZB ist dagegen mißtrauisch, wie jeder Vertreter eines Gläubigers, der beständig vermutet, daß sein gutes Geld irgendwo verjubelt wird. In einem Punkt wird der neue Chef der Fed daher Alan Greenspan sicher gleichen: Auch Bernanke wird äußerst flexibel sein müssen. Vielleicht ist der akademisch geschulte Ökonom sogar noch beweglicher als sein Vorgänger. Mit Bernanke nimmt seit langem erstmals ein oberster Notenbanker die Gefahr auch einer Deflation ernst. Er sagte im November 2002 öffentlich: »Wenn die Inflation bereits gering ist und die Situation der Wirtschaft sich plötzlich verschlechtert, dann muß die Zentralbank vorbeugender handeln und aggressiver ihre Zinsen senken.« Ob ihm die Einsicht hilft? Vielleicht wird er als Zentralbankchef bald die japanischen Erfahrungen wiederholen können. Denn kapitalistische Unternehmen investieren nicht, weil Zinsen besonders niedrig, sondern nur, wenn die Gewinnaussichten ausreichend hoch sind.


Hintergrund: Modernisierte Buchführung

Die neoliberalen wirtschaftspolitischen Ratschläge stützen sich immer wieder auf ein Vorbild: die USA. Denn mit geringerer Arbeitslosigkeit und höherem Wirtschaftswachstum zeige die US-Ökonomie, wie man es machen sollte. Im Jahr 2004 wuchs sie um 4,2 Prozent zu – das BIP im Euroraum dagegen nur um zwei Prozent. Dafür betrug die Erwerbslosigkeit im Euroraum 8,9 Prozent, in den USA 5,5.

Hin und wieder auftretende Zweifel an der Aussagekraft der US-Statistiken prüfte nun Jochen Hartwig von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Sein Ergebnis: Revisionen der US-Inflationsmessung seit 1997 überhöhen die ausgewiesene Wachstumsrate um wenigstens ein halbes Prozent pro Jahr.

Denn das Wirtschaftswachstum wird als Zunahme des realen Bruttoinlandsproduktes definiert. »Real« – weil die Effekte von Preissteigerungen herausgerechnet werden. Neben der Erfassung der wirtschaftlichen Daten in jeweils aktuellen Preisen spielt deshalb für die Angabe des Wirtschaftswachstums auch die Inflationsstatistik eine Rolle. Je höher die ausgewiesene Inflation, umso größer ist die Korrektur nach unten, die an den nominellen Wachstumsdaten vorgenommen wird.

Mitte der 90er Jahre kam eine US-Kommission unter Michael Boskin zu dem Urteil, daß die üblichen Methoden der Erhebung des US-Verbraucherpreisindex (CPI) Qualitätssteigerungen und vor allem veränderte Verbrauchsmuster der Konsumenten nur unzureichend berücksichtigen. Der CPI weise deshalb eine zu hohe Preissteigerung aus. Entsprechende Veränderungen der Statistik führen seither zu einer geringeren Inflations- und damit zu einer höheren »realen« Wachstumsrate der US-Wirtschaft. Entscheidend für den internationalen Vergleich ist, daß diese Veränderungen zumeist in der EU nicht übernommen wurden und deshalb hier die Inflationsrate relativ höher, das Wirtschaftswachstum relativ niedriger angegeben wird.
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