www.meidling-forum.at Foren-Übersicht www.meidling-forum.at

 
 FAQFAQ   SuchenSuchen   MitgliederlisteMitgliederliste   BenutzergruppenBenutzergruppen   RegistrierenRegistrieren 
 ProfilProfil   Einloggen, um private Nachrichten zu lesenEinloggen, um private Nachrichten zu lesen   LoginLogin 

»Die Hemmschwelle sinkt«

 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen    www.meidling-forum.at Foren-Übersicht -> EUROPA, EU
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
admin



Anmeldungsdatum: 22.07.2004
Beiträge: 2346

BeitragVerfasst am: Do Okt 13, 2005 9:33 am    Titel: »Die Hemmschwelle sinkt« Antworten mit Zitat

Der staatliche Druck auf Journalisten und Informanten wird größer und häufiger

In der Vergangenheit trafen die Polizeiübergriffe linke Journalisten wie den nordrhein-westfälischen VVN-Vorsitzenden Ulrich Sander, die Redaktion von Labournet, die anti-atom-aktuell-Redaktion, die kurdische Tageszeitung Özgür Politika und den jW-Autor Nick Brauns. Sogar das ZDF berichtete im Fernesehmagazin Frontal 21 über die Polizeiaktion gegen den Münchner jW-Mitarbeiter. Mit dem Vorwurf, er habe am 2. Juni 2005 eine antifaschistische Protestaktion gegen ein Funktionärstreffen der NPD in der Münchner Gaststätte »Waldfrieden« organisiert, war der Journalist festgenommen worden. Sein journalistisches Arbeitsmaterial mit vertraulichen Informationen über linke Organisationen wurde bei dieser Gelegenheit beschlagnahmt.

Wenn nun auch konservative Presseorgane wie Cicero ins Visier der Fahnder geraten, schafft dies dem gesamten Thema endlich größere öffentliche Aufmerksamkeit. So erklärte der Medienwissenschaftler Siegfried Weischenberg, es gebe zunehmende Versuche, die Pressefreiheit einzuschränken, indem Telefone von Journalisten überwacht und Redaktionsräume durchsucht würden. Der staatliche Druck auf Journalisten und Informanten werde größer. Laut einer Statistik des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) hat es zwischen 1987 bis 2000 insgesamt 150 Durchsuchungen von Zeitungen und Funkhäusern sowie Privatwohnungen von Journalisten gegeben. Bezeichnend ist übrigens: Keiner dieser 150 Journalisten wurde je wegen der ihm gemachten Vorwürfe verurteilt. Die Maßnahmen dienen also ersichtlich der Einschüchterung. DJV-Vorsitzender Michael Konken kritisierte im Hamburger Abendblatt am 4. Oktober 2005: »Die Hemmschwelle sinkt. Es kann jeden Tag in jeder Redaktion passieren.«

Das Gesetz gibt Journalisten das Recht, die Auskunft über ihre Informanten zu verweigern. Das ist entscheidend wichtig für einen freien Journalismus. Wird dieser Informantenschutz auf dem Umweg über Hausdurchsuchungen unterlaufen, können Informanten nicht mehr vor staatlicher Verfolgung sicher sein. Diese unerträgliche Folge müßte eigentlich ein »Verfassungsminister« deutlich kritisieren. Doch Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) tat genau das Gegenteil, verteidigte wiederholt sein Vorgehen und stellt damit das »Sicherheitsinteresse« des Staates über die Pressefreiheit.


Neue Spiegel-Affäre? Parallelen und Unterschiede

Zwischen der Durchsuchungsaktion gegen das Magazin Cicero und der Spiegel-Affäre von 1962 gibt es große Ähnlichkeiten, auch wenn beide Vorgänge nicht in jedem Punkt vergleichbar sind. In der Ausgabe 41/1962 berichtete Conrad Ahlers, der spätere Pressesprecher der sozialliberalen Koalition, im Nachrichtenmagazin Spiegel unter dem Titel »Bedingt abwehrbereit« über die NATO-Übung Fallex 62 und über die seiner Meinung nach schlechte Ausrüstung der Bundeswehr. Dabei verwendete Ahlers interne Dokumente des Bundesverteidigungsministeriums.

Der Spiegel galt damals als kritisches Presseorgan, das die konservative Politik der CDU/CSU/FDP-Regierung unter Bundeskanzler Konrad Adenauer bekämpfte. Die damalige Regierung sah eine günstige Gelegenheit, diese kritische Stimme mundtot zu machen. Adenauer tönte, der Ahlers-Artikel stelle einen »Abgrund von Landesverrat« dar. Am 26. Oktober 1962 wurden die Räume des Spiegel in Hamburg durchsucht, später auch das Redaktionsbüro in Bonn. Mehrere Redakteure und Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein wurden verhaftet. Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) ließ unter Überschreitung seiner Kompetenzen Ahlers in Spanien festnehmen. Später belog Strauß hinsichtlich dieser Vorgänge auch noch das Parlament, was noch 1962 zu seinem Rücktritt führte.

Die Polizeimaßnahmen stießen auf erhebliche Proteste, da zu Recht ein Angriff auf die Pressefreiheit befürchtet wurde. Es kam zu einer Regierungskrise und letztlich zum Rückzug Adenauers als Kanzler. Nach zweieinhalb Jahren stellte der Bundesgerichtshof das Strafverfahren gegen die Spiegel-Journalisten ein.

In der Cicero-Affäre geht es ebenfalls darum, daß ein Journalist vertrauliche Dokumente, diesmal aus dem Bundeskriminalamt, ausgewertet hat. Der Vorwurf lautet diesmal auf »Beihilfe zum Geheimnisverrat«. Eine offenkundige Parallele liegt auch in der überzogenen Durchsuchungsaktion der Staatsanwaltschaft. Und wiederum ist die Bundesregierung involviert, indem Minister Schily (allerdings im Rahmen seiner Zuständigkeit) eine Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt hat.

Die Hauptparallele ist darin zu sehen, daß auch die jetzige Bundesregierung sich wiederholt gegen eine für sie kritische Berichterstattung der deutschen Medien gewandt hat, und daß Strafverfolgungsmaßnahmen, wie sie Cicero und andere Presseorgane getroffen haben, als Versuch zu bewerten sind, Informanten einzuschüchtern und die »Wächterfunktion« der Presse zu beeinträchtigen.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden
gladius



Anmeldungsdatum: 21.03.2004
Beiträge: 4408
Wohnort: Famagusta

BeitragVerfasst am: Mi Okt 19, 2005 10:46 am    Titel: Antworten mit Zitat

Aber die Demokraturen säuseln dabei immer ganz salbungsvoll von der Demokratie!
Was die darunter wohl verstehen?
Einzelhaft und KZ etwa?

bobsch lecturer bobsch
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen    www.meidling-forum.at Foren-Übersicht -> EUROPA, EU Alle Zeiten sind GMT + 2 Stunden
Seite 1 von 1

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.


Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group