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GORBATSCHOW 90 JAHRE

 
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meidlinger



Anmeldungsdatum: 22.07.2004
Beiträge: 1403

BeitragVerfasst am: Sa Feb 27, 2021 11:35 am    Titel: GORBATSCHOW 90 JAHRE Antworten mit Zitat



Er veränderte die Welt

Michail Gorbatschow wird 90: Held des Rückzugs

Sein Name steht wie kein anderer für den Fall des Eisernen Vorhangs und der Annäherung zwischen Ost und West: Am 2. März feiert Michail Gorbatschow seinen 90. Geburtstag. „Krone“-Redakteur Kurz Seinitz schreibt in seinem Tagebuch über die turbulente Zeit der Ära Gorbatschow.
Wie es begann: Es war der 11. März 1985. Ein damals nur Spezialisten bekannter Kremlfunktionär wird Chef der Sowjetunion. Die Nachricht erreicht mich während des Staatsbesuchs des Bundespräsidenten in Jordanien. Die Redaktion meldet sich mit der dringenden Bitte um einen Artikel über den Unbekannten. Sie entstand in der Wüste.

„Er muss ihnen den Wodka holen“

Mir war Gorbatschow bis dahin nur zweimal aufgefallen. Das eine Signal betraf seine Rolle als „Jüngster“ (im zarten Alter von knappen 50) im Politbüro der Kommunistischen Partei. In Moskau nannte man als Aufgabe des „Jungen“ in dem Altherrenclub im Kreml: „Er muss ihnen den Wodka holen.“ Deshalb hätte er später auch seinen höchst unpopulären Feldzug gegen Alkohol geführt.

„Ich mag ihn. Mit ihm können wir arbeiten“
Das zweite Signal war sein Besuch 1984 bei der britischen Premierministerin Margaret Thatcher. Die als „Kommunistenfresserin“ bekannte Erzkonservative überraschte danach mit der Aussage: „Ich mag ihn. Mit ihm können wir arbeiten.“

Vom kommunistischen Saulus zum Paulus
Von 1982 bis 1985 waren drei Kremlchefs der Reihe nach gestorben: Breschnew, Andropow, Tschernenko. Am Ende ihres Lateins übertrugen die greisen Gralshüter des Imperiums jene Aufgabe, die sie selbst nicht mehr zu bewältigen vermochten, dem Jüngsten - wie bei der ÖVP.

„Glasnost“
Zu Beginn seiner Ära war Gorbatschow noch ganz Sowjetfunktionär. Sein erstes Schlagwort stammte noch aus der Stalin-Zeit: „Uskorenije“ („Beschleunigung“) zur Überwindung der Stagnation der Sowjetunion. Erst als er merkte, dass daraus wohl nichts wird, wurde „Beschleunigung“ durch „Perestrojka“ (Umgestaltung) ersetzt. Und auch jenes Markenzeichen, für welches Gorbatschow berühmt wurde, „Glasnost“ (Offenheit), stammt von seinem engen Mitarbeiter und Vordenker der Reformen Alexander Jakowljew.

19. November 1985: Die erste Gorbatschow-Überraschung - Gipfeltreffen mit US-Präsident Reagan in Genf. Margaret Thatcher hatte den zögernden Reagan dazu gedrängt. Wir Journalisten kamen bei Gorbatschows Pressekonferenz aus dem Staunen nicht heraus: Presse-Apparatschiks des Kremls, die früher in ihren grauen Schlabberanzügen Journalistenfragen nicht beantworteten, sondern als Provokation abschmetterten, ermunterten - neu eingekleidet - zu „offenen Fragen“.

26. April 1986: Die Atomkatastrophe von Tschernobyl. Was bei uns über Schwedens Nuklearwarndienst sofort klar war, wurde in der Sowjetunion verheimlicht. Selbst der Kremlchef wurde von Kiew über das Ausmaß im Unklaren gelassen. Dieser Schock muss jener Zeitpunkt gewesen sein, zu welchem Gorbatschow klar wurde, dass das ganze Sowjetsystem schon todkrank war. Von da an hieß es: strategischer Rückzug auf allen Linien, beginnend aus Afghanistan, um zu retten, was noch zu retten ist.

11. Oktober 1986: Gipfeltreffen in Island. Gorbatschow erzählt uns Begleitjournalisten von der Vision einer Welt ohne Atomwaffenbedrohung und von einer demokratischen Sowjetunion. Im Klartext: Er wollte sich von der Rüstungslast befreien. Ronald Reagan, der angetreten war, die Sowjetunion an die Wand zu rüsten, bis ihr die Luft ausgeht, spielte schließlich mit.

9. November 1989: Fall der Berliner Mauer - und damit des gesamten Ostblocks. Der (relativ) unblutige Zusammenbruch eines Imperiums war ein Mondfenster der Weltgeschichte, das sich so bald nicht mehr wiederholen wird. Gorbatschow wurde zum Helden des Rückzugs. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, hatte er nach Aussage seines Pressechefs Gennadi Gerassimow am 6. Oktober zur Feier 40 Jahre DDR dem störrischen Erich Honecker gesagt. Dieser konterte dann später: „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.“

14. Juli 1990: Das „Wunder vom Kaukasus“. Die Sowjetunion ist im wahrsten Sinne des Wortes pleite. Bundeskanzler Kohl kauft bei dem Treffen in Gorbatschows Heimat dem Kremlchef mit viel Geld die DDR ab. Der Sowjetchef später: „Da gab ich die DDR weg.“
Der Kommunistenchef wollte kein Blut

19. August 1991: Putsch der Kreml-Hardliner gegen Gorbatschow. Und so sieht ein letztes Aufgebot aus: Putschführer und Vizepräsident Janajew zittern bei der Pressekonferenz die Hände, Ministerpräsident Pawlow kann nicht kommen, denn er liegt volltrunken auf dem Sofa in seinem Amtszimmer - während Boris Jelzin schon die Massen auf die Straßen ruft. Was allen Journalisten augenscheinlich ist - der Putsch ist eine böse Farce - entgeht offenbar der österreichischen Regierung: Sie vollzieht als Einzige eilig die diplomatische Anerkennung der Putschistenregierung. Der Radiosender „Echo Moskwy“ verspottet Österreich als das „letzte sozialistische Bruderland“. Es war zum Fremdschämen.

21. August 1991: Gorbatschow kehrt zurück - und wird von Jelzin entmachtet. Der Chef der russischen Sowjetrepublik spricht dann einen folgenschweren Satz an die Adresse der anderen Sowjetrepubliken: „Nehmt euch so viel Souveränität, wie ihr schlucken könnt.“ Die Sowjetunion zerbricht.

25. Dezember 1991: Gorbatschow tritt zurück.
Als „Liquidator“ eines großen Reiches wird Gorbatschow heute in Russland verachtet. Das hatte er nicht gewollt, aber als er erkannte, dass alles unter seinen Händen zerrinnt, hatte er es laufen lassen. Und er wollte kein Blut! Das war sein historisches Verdienst.

Er ließ die Menschen Freiheit kosten
Friedensnobelpreisträger Gorbatschow hat es zumindest fertig gebracht, als einziger Nachfolger Lenins von den westlichen Demokratien als ihresgleichen anerkannt zu werden. Er war vom sowjetischen Olymp herabgestiegen, sprach mit den Menschen auf den Straßen, ließ sie als erster und letzter Kommunistenchef Freiheit kosten, die heute wieder in weite Ferne gerückt ist.

Kurt Seinitz

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