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"Flucht, Vertreibung, Versöhnung"!

 
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Eberndorfer



Anmeldungsdatum: 10.09.2006
Beiträge: 2267

BeitragVerfasst am: Mi Sep 08, 2010 6:34 am    Titel: "Flucht, Vertreibung, Versöhnung"! Antworten mit Zitat

Geschichte à la carte!
08.09.2010

BERLIN(Eigener Bericht) - Zum wiederholten Male sorgt die Berliner Staatsstiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" für einen Eklat. Wie der Zentralrat der Juden mitteilt, wird er wegen revisionistischer Behauptungen zweier Funktionsträger seine Mitgliedschaft im Stiftungsrat ruhen lassen und eventuell ganz niederlegen.

Bei den kritisierten Positionen handelt es sich unter anderem um die Relativierung der Alleinschuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg. Auf Seiten der faktisch von der Bundesregierung kontrollierten Stiftung habe es hinsichtlich der erwähnten Funktionsträger trotz öffentlicher Diskussionen keinerlei "nennenswerte substanzielle Bewegung" gegeben; deshalb sehe sich der Zentralrat der Juden gegenwärtig nicht mehr in der Lage, im Stiftungsrat mitzuwirken, stellt Generalsekretär Stephan Kramer fest.

Tatsächlich verantworten noch weitere Funktionsträger der Stiftung geschichtsverfälschende Behauptungen; so heißt es unter Berufung auf den Autor einer Zeitschrift der extremen Rechten auf der Internetpräsenz des BdV-Landesverbandes Hessen, dessen Vorsitzender ebenfalls dem Stiftungsrat angehört: "Benesch rief 1945 zum Massenmord an der deutschen Bevölkerung auf". Offenkundige Inkompetenz und revisionistische Bestrebungen haben bereits in der Vergangenheit mehrere bekannte Historiker zum Rückzug aus den Stiftungsgremien veranlasst. Berlin hält trotz des erneuten Debakels an der Stiftung fest.

Ausgeufert

Anlass des aktuellen Streits sind Äußerungen zweier stellvertretender Mitglieder im Stiftungsrat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung", die im Juli vom Bund der Vertriebenen (BdV) nominiert und vom Bundestag in das Gremium gewählt worden sind.

Einer der beiden, Arnold Tölg, BdV-Landesvorsitzender in Baden-Württemberg, hatte gegenüber einer rechtslastigen Wochenzeitung erklärt: "Während in Nürnberg von den Siegern die deutschen Kriegsverbrecher zurecht verurteilt wurden, haben die gleichen Länder (gemeint waren Polen, Jugoslawien, die Sowjetunion, d. Red.) bezüglich Zwangsarbeitern ähnliche Verbrechen begangen wie Dolfi-Deutschland."[1]

Der zweite von ihnen, Hartmut Saenger, stellvertretender Landesvorsitzender des BdV in Hessen und Referent des Verbandes für Erwachsenenbildung, hatte in einem Presseartikel suggeriert, Polen könne eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg tragen. Zudem habe erst Großbritannien den "Krieg um Danzig zu einem weltweit ausgetragenen Krieg" gemacht, "der dann durch den Kriegseintritt der USA" wegen deren Interessen am Pazifik "zum globalen Krieg ausuferte".[2]

Keine Konsequenzen

Als im Sommer die revisionistischen Behauptungen der beiden Herren aus dem BdV bekannt wurden, führten sie zu einer sanften Welle der Indignation in den Medien. Weitere Konsequenzen für ihre Tätigkeit in der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" wurden jedoch nicht gezogen.

Die Stiftung untersteht der Form halber dem Bundestag und de facto der Bundesregierung. Sie soll unter anderem an zentraler Stelle in der deutschen Hauptstadt einen "Ort lebendigen Gedächtnisses" realisieren [3], mit dem Berlin die Umsiedlung der Deutschen auf Dauer in Erinnerung halten will. Auf die Tatsache, dass offensichtlich Personen Einfluss auf die Stiftungsarbeit nehmen dürfen, die unverhüllt Zweifel an der alleinigen deutschen Kriegsschuld äußern, reagiert nun der Zentralrat der Juden.

Wie es in einem Schreiben von dessen Generalsekretär Stephan Kramer an Bernd Neumann, den Kulturstaatsminister im Bundeskanzleramt, heißt, lässt der Zentralrat seine Mitgliedschaft im Stiftungsrat zunächst ruhen und hält sich die Option auf einen endgültigen Austritt explizit offen. Dies wird nicht nur mit den "revanchistischen Positionen" [4] der erwähnten BdV-Funktionäre begründet. Wie Kramer kritisiert, hat es nach der sanften Mediendebatte über die revisionistischen Behauptungen der beiden Funktionäre keine "nennenswerte substanzielle Bewegung oder gar erkennbare Revision" der Entscheidung über ihre Mitgliedschaft im Stiftungsrat gegeben.[5]

Ein Dilemma

Die Kritik des Zentralrats der Juden offenbart ein Dilemma, aus dem sich die Bundesregierung nur schwer lösen kann.

Um die Umsiedlung der Deutschen und daraus abgeleitete Ansprüche auch auf lange Sicht thematisieren zu können, hat Berlin unter anderem beschlossen, mit Hilfe der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" eine zentrale Erinnerungsstätte zu errichten. Sie soll, wenn die Umgesiedeltenverbände in absehbarer Zeit nach dem Tod der sogenannten Erlebnisgeneration nur noch wenige Mitglieder haben werden, die Umsiedlung im allgemeinen Gedächtnis bewahren.

Da die Umgesiedeltenverbände inklusive ihres rechtslastigen Flügels aber bei der Errichtung der Erinnerungsstätte nicht übergangen werden können, findet sich in den Stiftungsgremien Personal, dessen Positionen geeignet sind, Anstoß zu erregen. Dies trifft beileibe nicht nur auf Arnold Tölg und Hartmut Saenger zu.

Massenmörder

So liest man auf der Internetpräsenz des hessischen BdV-Landesverbandes Äußerungen, die ebenfalls revisionistische Tendenzen erkennen lassen. Dort wird der Landesvorsitzende Alfred Herold mit der Mitteilung zitiert, es erfülle "uns Vertriebene mit großem Unverständnis", wenn "in der öffentlichen Wahrnehmung der 08. Mai ausschließlich als Tag der Befreiung gesehen wird."[6]

Alfred Herold gehört dem Stiftungsrat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" als reguläres Mitglied an. Die vom BdV Hessen und damit auch von Alfred Herold verantwortete Internetpräsenz veröffentlicht an anderer Stelle Behauptungen, die unmittelbar die Umsiedlung der Deutschen und damit auch den Hauptgegenstand der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" betreffen. Dort ist zu lesen, es habe in Osteuropa "schon 1918 Bestrebungen zur Vertreibung der Deutschen" gegeben, während der sudetendeutsche "Führer" Konrad Henlein "keine Zerschlagung der Tschechoslowakei an(gestrebt)" habe.[7]

Zudem heißt es beim BdV Hessen: "Benesch rief 1945 zum Massenmord an der deutschen Bevölkerung auf". Als Quelle für diese Behauptung wird ein "Oberstudienrat a.D." genannt, der als Autor einer einflussreichen Zeitschrift der extremen Rechten tätig gewesen ist.[8]

Reise in ein besetztes Land

Während neben Tölg (BdV Baden-Württemberg), Saenger und Herold (BdV Hessen) auch das Stiftungsratsmitglied Stephan Grigat (Landsmannschaft Ostpreußen) mit recht bemerkenswerten Äußerungen von sich reden gemacht hat - er bezeichnete eine Reise nach Nordostpolen einst als "Reise in ein besetztes Land" -, ist in der Vergangenheit auch scharfe Kritik an Stiftungsdirektor Manfred Kittel laut geworden. In den 1990er Jahren hieß es über Kittels Werk "Die Legende von der 'Zweiten Schuld'", es sei "ein neues Produkt jungkonservativer Geschichtsrevision".[9] In der offiziellen Publikationsliste des Stiftungsdirektors wird das Buch verschwiegen.[10]

Über die Argumentationsweise einer "unter der Koordination von Manfred Kittel" [11] verfassten "Machbarkeitsstudie" zum Einfluss ehemaliger NS-Aktivisten auf den BdV urteilte die Presse: "Auf solcher Grundlage ließe sich wohl auch die nationalsozialistische Grundüberzeugung Heinrich Himmlers in Zweifel ziehen."[12]

Allein seit Jahresbeginn 2010 haben sich drei Mitglieder des wissenschaftlichen Beraterkreises unter Protest von der Stiftung verabschiedet, darunter der polnische Historiker Tomasz Szarota [13] und die tschechische Historikerin Kristina Kaiserová [14]. "Da sitzt kein einziger Forscher", beschwerte sich Szarota empört über die deutschen Mitglieder des Beraterkreises, "der sich kritisch mit dem verqueren Geschichtsbild, den überhöhten Opferzahlen oder der braunen Vergangenheit vieler BdV-Funktionäre beschäftigen würde."[15]

Unbedingter Wille

Nach dem jetzt erfolgten Rückzug des Zentralrats der Juden scheint in der Staatsstiftung ein völliges Durcheinander zu herrschen. Stiftungsratsmitglied Hans-Jochen Jaschke, Weihbischof aus Hamburg, wird mit den Worten zitiert: "Gerade bei der Versöhnung müssen die Juden unbedingt dabei sein. Wie auch die Polen und die Tschechen."[16]

Polnische und tschechische Delegierte sind in der Stiftung nicht vertreten. Dass Berlin trotz des erneuten Debakels weiter an der Staatsstiftung festhält, zeigt vor allem eines - den unbedingten Willen, nicht auf das Erinnern an die Umsiedlung und vor allem nicht auf die daraus abgeleiteten Ansprüche gegenüber diversen Staaten Ost- sowie Südosteuropas verzichten zu wollen.

[1] "Da klafft eine Gerechtigkeitslücke"; Junge Freiheit 07.01.2000
[2] Historischer Kontext; Preußische Allgemeine Zeitung 05.09.2009
[3] Konzeption; www.dhm.de/sfvv
[4] Zentralrat der Juden verlässt Vertriebenen-Stiftung; newsticker.sueddeutsche.de 06.09.2010
[5] Zentralrat stoppt Mitarbeit in Vertriebenen-Stiftung; www.welt.de 06.09.2010
[6] Besiegt oder befreit? www.bund-der-vertriebenen-hessen.de
[7] Die Ursache der Vertreibung darf nicht auf den Zweiten Weltkrieg reduziert werden; www.bund-der-vertriebenen-hessen.de
[8] Es handelt sich um die letztes Jahr eingestellte Zeitschrift "Nation und Europa".
[9] Willi Jasper: Endlich wieder normal? Ein neues Produkt jungkonservativer Geschichtsrevision: Manfred Kittel über die angeblich geglückte "Vergangenheitsbewältigung" nach 1945; Die Zeit 40/1993
[10] Direktor; www.dhm.de/sfvv
[11] Institut für Zeitgeschichte: Jahresbericht 2008
[12] Bis zur Harmlosigkeit verstrickt; Frankfurter Allgemeine Zeitung 20.02.2010. S. dazu Vertreibung aus dem Leben
[13] s. dazu Eine Propagandaveranstaltung
[14] s. dazu Weichen für die Zukunft
[15] "Steinbach soll eigenes Museum bauen"; Stuttgarter Nachrichten 15.01.2010
[16] "Gerade bei der Versöhnung müssen Juden dabei sein"; www.domradio.de 07.09.2010
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