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Unbezahlte Schulden!

 
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Eberndorfer



Anmeldungsdatum: 10.09.2006
Beiträge: 2267

BeitragVerfasst am: Fr Aug 20, 2010 1:04 am    Titel: Unbezahlte Schulden! Antworten mit Zitat

Unbezahlte Schulden!
19.08.2010

BUKAREST/BERLIN - In Rumänien beginnt eine Debatte über nie zurückgezahlte deutsche Schulden aus der NS-Zeit. Dabei handelt es sich um sogenannte Clearing-Schulden, die das Deutsche Reich seit Mitte der 1930er Jahre anhäufte. Sie entstanden im Rahmen des damaligen Außenhandels, der nicht per gewöhnlicher Zahlung, sondern per Verrechnung durch die beteiligten Staaten abgewickelt wurde. Politischer Druck ermöglichte es dem Reich, Rumänien und andere Staaten zu umfangreichen Lieferungen bei weit niedrigeren deutschen Gegenleistungen zu zwingen. Das Clearing-System, das allein Rumänien Außenstände in Berlin von weit über einer Millarde Reichsmark einbrockte, zwang die Länder Südosteuropas in ein quasikoloniales Abhängigkeitsverhältnis von Deutschland. Selbst gering verzinst erreichten die deutschen Schulden gegenüber Rumänien mittlerweile einen Wert von knapp 18,8 Milliarden Euro, erklärt der Ökonom Dr. Radu Golban, der die Sachlage recherchiert hat, im Gespräch mit german-foreign-policy.com. Während sich Regierungsstellen in Bukarest inzwischen mit der Thematik befassen, steht eine Stellungnahme aus Berlin bis heute aus.

Das Clearing-System

Das Clearing-System, auf das die bis heute nicht zurückgezahlten deutschen Schulden gegenüber Rumänien zurückgehen, wurde vom Deutschen Reich im Rahmen des "Neuen Plans" (1934) von Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht eingeführt. Äußerlicher Anlass war der damals akute deutsche Devisenmangel. Schacht unterwarf den Außenhandel strikter Kontrolle und stellte ihn auf sogenannte Clearing-Verträge um. Dabei wurden die Einfuhren nicht mit Devisen bezahlt, sondern durch Ausfuhren, also in Sachwerten, abgeglichen. Die Clearing-Verträge verringerten die Devisenprobleme des Deutschen Reichs.

Wie Kolonien

Zugleich nutzte Berlin das Clearing-System, um die Staaten Südosteuropas in ein quasikoloniales Abhängigkeitsverhältnis von Deutschland zu treiben. "Das wesentliche Prinzip der neuen Außenhandelspolitik bestand darin", schreibt der Publizist Klaus Thörner in einer historischen Analyse der deutschen Südosteuropapolitik, sich "Rohstoffe und Agrarprodukte" liefern zu lassen und im Gegenzug "anstelle von Devisen deutsche Produkte" zu liefern. Damit sicherte sich Berlin einerseits die zuverlässige Versorgung mit Ressourcen - vor allem mit kriegswichtigen -, über die es nicht im eigenen Land verfügte, und verhalf zugleich der deutschen Industrie zu einem profitablen Absatz ihrer Waren. Das Konzept ging auf: "Die Länder Südosteuropas wurden mittels des Neuen Plans zur wichtigsten Rohstoff- und Agrarproduktbasis der deutschen Wirtschaft", urteilt Thörner. "Ihr Außenhandel wurde vom Deutschen Reich in jeder Beziehung kontrolliert und reglementiert, sie mußten ihre Produktion zunehmend dem Bedarf der deutschen Wirtschaft anpassen und unterordnen."

Indirekte Kredite

Mit Hilfe des Clearing-Systems behinderte das Deutsche Reich nicht nur die Industrialisierung der Staaten Südosteuropas, deren Industrieprodukte keinen Absatz in Deutschland fanden. Politischer Druck ermöglichte es zudem, die betroffenen Länder zur indirekten Finanzierung der deutschen Kriegsvorbereitungen zu zwingen. Dies geschah, indem Berlin einerseits umfangreiche Lieferungen aus Südosteuropa bezog, andererseits aber die deutschen Gegenleistungen in Form von Warenexporten reduzierte.

Bereits im März 1935 beliefen sich die deutschen Clearing-Schulden auf insgesamt 567 Millionen Reichsmark; ein bedeutender Teil davon betraf die Staaten Südosteuropas. Alle Versuche, sich aus dem deutschen Klammergriff zu lösen, schlugen wegen ökonomischer Schwierigkeiten sowie deutscher Drohungen fehl. Auf diese Weise konnte Berlin die eher armen Länder Südosteuropas, von denen es einige später überfiel, als indirekte Kreditgeber für seine Kriegsvorbereitungen nutzen.

18,8 Milliarden Euro

Zu den Staaten, gegenüber denen sich das Deutsche Reich auf dem Clearing-Wege am stärksten verschuldete, gehörte Rumänien. Recherchen des Ökonomen Dr. Radu Golban zufolge erreichten die Schulden Berlins gegenüber Bukarest im September 1944 einen Betrag von 1,126 Milliarden Reichsmark. Dies geht aus einer "Saldennachweisung" der Deutschen Verrechnungskasse vom 7. September 1944 hervor. Während etwa die Clearingguthaben Frankreichs und Belgiens gemäß dem Londoner Schuldenabkommen von 1953 in einem abschließenden Friedensvertrag behandelt werden sollten und mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag de facto unbezahlt verfielen, gilt dies für die deutschen Schulden gegenüber Rumänien nicht, bekräftigt Golban im Gespräch mit dieser Redaktion. "Dieses Guthaben dürfte sich heute, mit rund 2,5% verzinst, auf knapp 18,8 Milliarden Euro belaufen. Würden die von Walther Funk, dem letzten Reichsbankpräsidenten, für konsolidierte Clearingschulden vorgesehen 4% Zinsen anfallen, so wäre der Betrag um einiges höher."

Auf traditionellem Weg

In Rumänien hat nach einer Reihe von Medienberichten über die bis heute nicht zurückgezahlten deutschen Clearing-Schulden eine Debatte über das Thema begonnen. Wie Dr. Golban berichtet, haben die rumänischen Behörden eine gemeinsame Erklärung dazu angekündigt. Aus Berlin liegt, obwohl das Bundesfinanzministerium inzwischen offiziell informiert wurde, bisher noch keinerlei Stellungnahme vor. Die Vermutung ist erlaubt, dass die Bundesregierung die Schuldenfrage auf traditionellem Weg zu lösen sucht - mit Hilfe politischen Drucks auf das abhängige Rumänien.

http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57871



(Interview mit Dr. Radu Golban!)

Clearing und Reparationen
19.08.2010

KÖLN - Über die NS-Clearing-Verträge mit Rumänien und die Berliner Clearing-Schulden gegenüber Bukarest sprach german-foreign-policy.com mit Dr. Radu Golban. Golban ist promovierter Ökonom und arbeitet als Unternehmer, Dozent und Autor in der Schweiz.

german-foreign-policy.com: In Rumänien hat eine Debatte über deutsche Clearingschulden begonnen. Worum geht es dabei?

Radu Golban: Der Sachverhalt, um den es geht, basiert im Kern auf dem besonderen System des deutsch-rumänischen Außenhandels zur NS-Zeit. Dieser beruhte im Wesentlichen auf dem Vertrag über die Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien vom 23. März 1939 und auf dem Zahlungsabkommen zwischen den beiden Staaten vom 24. Mai 1935. Auf Grundlage des Zahlungsabkommens von 1935 wurde nahezu der gesamte deutsch-rumänische Handel devisenfrei verrechnet. In Abkehr vom freien Handel wurden feste Lieferquoten und feste Preise vereinbart, um Rumänien enger an den NS-Großwirtschaftsraum anzubinden.

gfp.com: Und dabei entstanden Schulden?

Golban: Ja. Infolge eines unausgeglichenen Handels zwischen den beiden Staaten entstanden Clearingdefizite. Trotz kriegsbedingt vorenthaltener deutscher Lieferungen musste Rumänien Ausfuhren an Deutschland leisten, was nur unter Zwang möglich war. Rumänien hat dabei über seine Handelsaktiva Deutschland finanziert. Der deutsche Saldo mit Rumänien wurde 1944 von der Verrechnungskasse für Clearingguthaben in Berlin auf rund 1,126 Milliarden Reichsmark beziffert. Das Guthaben Rumäniens geht dabei überwiegend auf das im Verrechnungsverkehr abgewickelte deutsch-rumänische Handelsabkommen vom 23. März 1939 zurück.

gfp.com: Was geschah nach Kriegsende mit dem Clearingsaldo?

Golban: Der Friedensvertrag von Paris zwischen Rumänien und den Alliierten und den Assoziierten Mächten vom 10. Februar 1947 sieht in Art. 28 Abs. 4 einen ausdrücklichen Verzicht auf alle Forderungen gegenüber Deutschland und seinen Staatsangehörigen vor, die zwischen dem 1.

September 1939 und dem 8. Mai 1945 entstanden. Unbestritten ist Deutschland zwar nicht Partner des Friedensvertrags, jedoch ist es gemäß Art. 5 Abs. 4 des Abkommens über deutsche Auslandsschulden, des Londoner Schuldenabkommens, daran gebunden. Gemäß dieser Vorschrift bleiben Forderungen aus Verträgen und anderen eingegangenen Verbindlichkeiten sowie erworbenen Rechten aus der Zeit vor dem 1.

September 1939 vom Verzicht ausgenommen. Jedenfalls dürfte der ausgesprochene Verzicht im Pariser Friedensvertrag sich rumänischerseits nicht auf die vor dem 1. September 1939 zwischen Rumänien und Deutschland abgeschlossenen und in Kraft getretenen Verträge erstrecken. Dieses Guthaben dürfte sich heute, mit rund 2,5% verzinst, auf knapp 18,8 Milliarden Euro belaufen. Würden die von Walther Funk, dem letzten Reichsbankpräsidenten, für konsolidierte Clearingschulden vorgesehen 4% Zinsen anfallen, so wäre der Betrag um einiges höher.

gfp.com: Werden die deutschen Clearingschulden in Rumänien thematisiert?

Golban: In den letzten Wochen sind in der rumänischen Presse mehrere Artikel erschienen, das Fernsehen brachte eine einstündige Sendung zum rumänischen Guthaben und zu einer etwaigen offenen deutschen Schuld. Das rumänische Kommissariat für die Zivilgesellschaft hat sowohl die Präsidentschaft Rumäniens als auch das rumänische Finanz-, Justiz und Außenministerium sowie die rumänische Nationalbank informiert und um eine Stellungnahme ersucht. Am 29. Juni ging ein Schreiben an das Bundesministerium der Finanzen in Berlin. Während die rumänischen Behörden das Schreiben zur Kenntnis genommen und eine gemeinsame Erklärung abzugeben versprochen haben, ist aus Berlin bis heute keinerlei Antwort erfolgt.

gfp.com: Zusätzlich zu den Clearingschulden wird auch die Abwicklung deutscher Reparationen an die Sowjetunion via Rumänien kritisiert. Worum geht es?

Golban: Diese Kritik zielt auf die Reparationspolitik nach dem Krieg ab. Gemäß dem Potsdamer Abkommen und dem Friedensvertrag von Paris wurde das gesamte deutsche Auslandsvermögen in Rumänien der Sowjetunion für Reparationszwecke übertragen. Der Anteil der deutschen Handelsaktiva an der rumänischen Wirtschaft stellte den sowjetischen Anteil an den für Reparationszwecke zu gründenden sowjetisch-rumänischen Handels-, Erdölförder-, Bergbau- und Agrargesellschaften dar. Durch diese knapp 30 Produktions- und Förderanlagen sollten deutsche Reparationszahlungen an die Sowjetunion in Form von rumänischen Industriegütern sowie Erdöl- und Getreidelieferungen geleistet werden. Es ist unbestritten, dass Deutschland sicherlich keinen Einfluss darauf nehmen konnte, dass in Kolonialmanier deutsche Reparationszahlungen via Rumänien abgewickelt wurden. Bedauerlich ist jedoch, dass dabei andere Regeln galten als in Grenzfragen, für die in Europa der Verlauf vor dem 31. Dezember 1937 als Referenz verwendet wurde. Denn durch den Anschluss Österreichs 1938 gelangte die traditionell sehr hohe österreichische Beteiligung an der rumänischen Wirtschaft in deutsche Hände. Auf Druck der Alliierten wurde für die Reparationen der deutsche Anteil an der rumänischen Wirtschaft von 1944 benutzt und nicht jener vor dem 31. Dezember 1937. Damit hat Rumänien als einziges Land kriegerischen Handlungen Deutschlands einen ökonomischen Vorteil verschafft: Reparationen an die Sowjetunion wurden im Namen Deutschlands bezahlt, aber auf der Grundlage einer deutschen Kapitalbeteiligung, die auch durch die Annexion Österreichs errungen wurde.

gfp.com: Um welche Beträge geht es dabei?

Golban: In Potsdam wurde die Höhe der Reparationszahlungen an die Sowjetunion nicht festgelegt. Bis 1956 wurde die rumänische Wirtschaft durch Ausfuhren an die Sowjetunion aufgrund deutscher Reparationen in einem Wert von rund 1,7 Milliarden Dollar erheblich belastet. Damals entsprach ein Dollar etwa einem Gramm Gold; die Wirtschaftsleistung Rumäniens wurde also mit umgerechnet rund 1.700 Tonnen Gold geplündert. Zwar kann man aus den Vorgängen allenfalls eine moralische Anspruchsgrundlage Rumäniens gegenüber Deutschland ableiten; schließlich blieb die Bundesrepublik aufgrund der großzügigen Verwertung deutschen Auslandsvermögens in Rumänien von direkten Zahlungen an die Sowjetunion verschont. Allerdings ist es ein erheblicher Unterschied, ob deutsches Vermögen in Form von Bankguthaben eingezogen wird oder Bodenschätze und Ressourcen eines fremden Staates, in diesem Falle Rumäniens, geplündert werden.

Noch weit bedenklicher ist hingegen, was mit den einstigen sowjetisch-rumänischen Firmen nach 1989 geschehen ist. Nachdem diese Betriebe, die hauptsächlich für deutsche Reparationszahlungen errichtet wurden, 1956 wieder in rumänische Hände gelangten und die Industrialisierung des Landes damit weiterhin vorangetrieben wurde, kam die politische Wende 1989 für die industrielle und agro-technisch Entwicklung des des Landes einem abrupten Ende gleich. Die gerade durch den EU-Osterweiterungsdruck forcierte Öffnung des zweitgrößten osteuropäischen Marktes hat zu einer Deindustrialiesrung und zu einer Vernichtung der gesamten landwirtschaftlichen Bewässerungsanlagen in zuvor nicht bekanntem Aussmaß und zum Untergang ganzer Wirtschaftszweige geführt. Anstatt einer vernüftigen Privatisierung bereitete man damit das Feld für deutsches und österreichisches Kapital vor, um ihm eine Rückkehr zu jenen Konditionen, zu denen es am Kriegsende Strukturen im kriegsgeplünderten Rumänien hinterlassen hatte, zu Null Euro zu ermöglichen. Kein Wunder, wenn in Rumänien heute Felder brach liegen, Lebensmittel importiert werden müssen und die Industrielandschaft verschwunden ist.

http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57870
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