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China: Wachstumsinsel wird zum Pulverfass

 
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admin



Anmeldungsdatum: 22.07.2004
Beiträge: 2346

BeitragVerfasst am: Fr Apr 13, 2012 5:23 pm    Titel: China: Wachstumsinsel wird zum Pulverfass Antworten mit Zitat

Während deutsche Konzernlenker vom Megamarkt China schwärmen, brodelt es im Land der Mitte gewaltig: Das Wirtschaftswachstum schwächt sich deutlich ab, die Inflation bleibt hoch, die Immobilienblase platzt – und nun drohen sogar schwere innenpolitische Unruhen bis hin zu einem möglichen Putsch.

Auf dem Wirtschaftstag der Volks- und Raiffeisenbanken im vergangenen Jahr strotzte Daimler-Chef Dieter Zetsche noch vor Selbstzufriedenheit und China-Euphorie. Das Land der Mitte habe sich abermals als eine dynamische Wachstumsinsel erwiesen. Und er ließ keinen Zweifel daran, dass sein Unternehmen die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt habe und nun, auf dem Höhepunkt der Euro-Krise, kerngesund dastehe. Andere Wettbewerber, wie der französische Peugeot-Konzern,

spielten auf dem chinesischen Markt keine große Rolle – und hätten daher aktuell Probleme. Die anwesenden mittelständischen Unternehmer und Verbandsvertreter klatschten begeistert.

Manche Zuhörer mit geschichtlichem Langzeitgedächtnis fühlten sich ein wenig an den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger erinnert, der im Jahr 1969 auf einem Dortmunder Wahlparteitag den Delegierten zugerufen hatte: »Ich sage nur China, China, China«.

Die Nachrichten aus dem Reich der Mitte, allesamt ebenso irritierend wie alarmierend, erweisen sich jedoch zunehmend als Euphoriebremse. Das sich deutlich abschwächende Wachstum, anhaltend hohe Inflationsraten, das drohende Platzen der Immobilienblase und nun noch hartnäckige Putschgerüchte dürften allmählich in den Vorstandsetagen der deutschen Exportindustrie für Unbehagen sorgen. Obgleich auch die Mainstreammedien unverdrossen dazu neigen, die Situation in China schön zu reden und schön zu schreiben. Dieser Tage lautete zum Beispiel die Nachricht, China habe wieder einen Handelsüberschuss erzielt. Das traf im März zwar in der Tat zu, doch dieser vermeintliche Erfolg hat eine Kehrseite: Die Importnachfrage des oft als globaler Wirtschaftsmotor apostrophierten Landes war ausgesprochen schwach. So stiegen die Einfuhren im März nur noch um 5,3 Prozent, im Monat zuvor hatte der Wert bei spektakulären 39,6 Prozent gelegen.

Nüchterne Ökonomen, die nicht der unkritischen China-Euphorie anheim gefallen sind, halten diese Entwicklung für höchst bedenklich. Die Binnenkonjunktur verliere unversehens an Dynamik, sagt zum Beispiel Thomas Gitzel, Senior Economist der VP Bank Liechtenstein. Das für das erste Quartal prognostierte Wirtschaftswachstum von 8,4 Prozent könnte sich damit als zu optimistisch erweisen. Bisher galt, dass China pro Jahr mindestens ein zehnprozentiges Wachstum erzielen muss, um die extremen sozialen Spannungen in Schach zu halten. Angesichts der hohen Inflationsrate haben Regierung und Notenbank wenig Spielraum, um die lahmende Wirtschaft mit einer expansiveren Geldpolitik zu stimulieren.

Mitten hinein in die unverkennbare Eintrübung der Wirtschaftslage platzten dann Meldungen über einen angeblichen Putsch und politische Machtkämpfe in Peking. Dabei schien vor ein paar Wochen schon alles geregelt zu sein: Im kommenden Herbst sollte auf dem Parteitag die Führung des Landes verjüngt werden. Es war geplant, Partei- und Staatschef Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jiabao, beide fast 70, durch Xi Jinping beziehungsweise Li Keqiang zu ersetzen, die beide Ende 50 sind.

Vor wenigen Wochen freilich drohte die Entwicklung für die politische Führung aus dem Ruder zu laufen. Putschgerüchte kursierten, Augenzeugen berichteten von auffallend vielen Militärfahrzeugen, die durch die Hauptstadt Peking gerollt seien. Die Regierung ließ Dutzende von Internetseiten sperren und Hunderttausende von »gefährlichen Kommentaren« in den so genannten Mikroblogs löschen sowie über tausend Verdächtige festnehmen. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua zitierte einen Regierungssprecher, wonach die beliebtesten chinesischen Dienste für Kurznachrichten im Netz, Sina und Tencent, wegen Verbreitung politischer Gerüchte »kritisiert und bestraft« worden seien. Ferner fiel auf, dass der designierte Premierminister Li Keqiang seinen für April geplanten Japan-Besuch absagte. Beobachter vermuten, er könne oder wolle Peking im Augenblick nicht verlassen.

Hintergrund der Putschgerüchte sind die Vorgänge in der Millionenmetropole Chongqing. Dort wurde der 62-jährige Parteichef Bo Xilai vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei abgesetzt. Seine Nachfolge trat Vizepremier Zhang Dejiang an. Bo Xilai ist der Sohn des legendären Revolutionärs Bo Yibo aus Maos Zeiten. Vorausgegangen war ein Skandal um den regionalen Polizeichef Wang Lijun, der sich Korruptionsvorwürfen ausgesetzt sah und – angeblich um sein Leben fürchtend – vorübergehend ins US-Konsulat geflüchtet war. Wang Lijun droht nun, Belastungsmaterial gegen seinen früheren Chef Bo Xilai und dessen Frau zu veröffentlichen. Den ehemaligen Parteichef der Metropole nennt er inzwischen den »größten Mafia-Boss«, seine Frau soll angeblich in den Tod eines Briten in der Provinz Chongqing verwickelt sein.

Keine Frage, hinter den Kulissen der chinesischen Staats- und Parteiführung brodelt es gewaltig. Die Nervosität wächst, wovon nicht zuletzt die massive Internetzensur zeugt, mit der auf die Putschgerüchte reagiert wurde. Doch was steckt dahinter? Ganz offenkundig fürchtet die Staats- und Parteiführung schwere Unruhen in der Provinz. Bo Xilai sei offensichtlich ein Bauernopfer für die Massen, heißt es in Berichten von China-Experten. Außerdem wolle Peking die Provinzen wohl an die kurze Leine nehmen. Wie auch immer, die innenpolitische Situation in China bleibt extrem angespannt. Manche Beobachter rechnen mit einem heißen Sommer. Politische Instabilität aber wird das Wachstum weiter schwächen. Höchste Zeit, dass deutsche Konzernmanager ihre unkritische China-Verklärung beenden.

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