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Optimistisch vorwärts ins Desaster: Update USA

 
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admin



Anmeldungsdatum: 22.07.2004
Beiträge: 2347

BeitragVerfasst am: Mi März 10, 2010 2:46 pm    Titel: Optimistisch vorwärts ins Desaster: Update USA Antworten mit Zitat

Im Innern der Weltmacht Nummer eins, den USA, von den Rating-Agenturen weltweit immer noch mit der Bonitätsnote AAA verwöhnt, bröckeln sogar schon die abgewrackten Kulissen. Nichtsdestotrotz wird Aufschwung und Wachstum verkündet.

In Illinois, dem Heimatbundesstaat von Präsident Obama, befinden sich die Staatsfinanzen zurzeit im Zustand der völligen Auflösung. Seine eigenen Rechnungen und Verpflichtungen bezahlt der Staat seit Oktober 2009 mit ungedeckten Schuldscheinen. 20 Prozent aller Busse der öffentlichen Verkehrsbetriebe sind außer Betrieb. Zum Teil, weil die Fahrer nicht bezahlt werden können, zum Teil, weil das Benzin nicht bezahlt werden kann, zum Teil, weil die Busse nicht mehr fahrbereit sind und es kein Geld für Reparaturen gibt. Bibliotheken sind nur noch an bestimmten Tagen in der Woche geöffnet. Die Bibliotheksangestellten haben schon lange kein Gehalt mehr auf ihren Konten gesehen. Die Lehrer ebenfalls. Nun greifen die Schulbehörden zum Mittel der Unterrichtsaussetzung, nachdem der Lehrkörper durch Entlassungen schon bis auf eine Kernmannschaft dezimiert worden ist.

In Alexander County wurden die Streifenwagen des Sheriffs von den kreditgebenden Banken wieder eingezogen. Macht aber nichts, denn drei Viertel der Polizisten sind sowieso bereits entlassen worden. Das restliche Viertel kann jetzt zu Fuß zum Einsatzort eilen. Aber auch das macht nichts, denn selbst wenn die tapferen Officers einen Bösewicht fangen würden, könnten sie nichts mit ihm anfangen, denn die Gefängnisse nehmen die Verhafteten und Verurteilten aus Illinois nicht mehr auf, bevor das Land nicht seine horrenden Schulden bei den in der Regel ja privat geführten Gefängnisgesellschaften zahlt.

»Wir bitten alle Anspruchsberechtigten gegen Illinois sich zu vergegenwärtigen, wie nahe der Bundesstaat dem Bankrott oder der Insolvenz ist«, sagt Laurence Msall, der Präsident der Civic Federation, einer Art amerikanischem Bund der Steuerzahler. Die unbezahlten Rechnungen des Bundesstaates beliefen sich Ende Januar 2010 auf fünf Milliarden Dollar. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass der Staat noch 5,4 Milliarden Dollar und im Folgejahr noch weitere zehn Milliarden in die Rentenkassen einbezahlen muss.

Insgesamt beziffern Experten die nicht gedeckten Schulden und Pensionsverpflichtungen des Staates Illinois bis zum 30. Juni 2010 auf 95 Milliarden Dollar. »Hoffnungslos«, lautet die Diagnose.

»Ich sehe kein Licht am Ende des Tunnels«, sagt Dan Strick, der Geschäftsführer der Sozialdienstorganisation South Star Services. »Es wird immer schlimmer, und die Verspätungen beim Bezahlen werden immer länger.« Niemand hat ein Konzept, und kein Politiker will die Dinge klar beim Namen nennen, geschweige denn, das Problem mit äußerst unbeliebten Maßnahmen angehen wie: Steuererhöhungen oder Kürzung von Sozialleistungen.

Die unbezahlten Rechnungen von Zulieferern, Dienstleistern und beauftragten Betrieben stapeln sich in den Kommunen und Stadtverwaltungen. Selbst Beamte müssen mittlerweile bei Arztbesuchen und Krankenhausbehandlungen ihre Rechnungen im Vorhinein selbst bezahlen, weil die Ärzte und Krankenhäuser auf riesigen, unbezahlten Forderungen gegen den Staat sitzen bleiben und dadurch selbst in einer katastrophalen finanziellen Schieflage sind.

Illinois lebt von der Hand in den Mund.

Besser sieht es aber auch in den Staaten Arizona, Florida, Kalifornien, Michigan, New Jersey, New York und Pennsylvania nicht aus. Insbesondere Kalifornien unter dem weltberühmten »Gouvernator« Schwarzenegger ist im Prinzip schon lang bankrott. Der Tag, an dem die Regierungs- und Verwaltungsstruktur der Bundesstaaten zusammenbricht, weil keine Kredite mehr zu bekommen sind und Investoren keine Schuldverschreibungen mehr zeichnen, rückt immer näher. Schon jetzt müssen die dramatisch klammen Bundesstaaten deutlich höhere Zinsen zahlen, um noch Kredite zu bekommen. Und die Anleihen werden nur noch zu immer kürzeren Laufzeiten geschlossen.

20 Milliarden Dollar an Obligationen konnte Kalifornien im letzten Jahr noch an Investoren verkaufen, musste aber schon um eine Garantie der US-Regierung bitten, um überhaupt noch diese Kredite zu bekommen. Es gab zwar Hilfen, aber keine echte Garantie aus Washington, und dieses Jahr muss die Regierung von Kalifornien bereits um ein Bailout von 6,9 Milliarden Dollar durch die US-Regierung betteln. Schließlich stufte die Rating-Agentur Moody’s Investors den Staat auf die Bonitätsstufe BAA1 herab, das sind nur noch drei Stufen über »Mist« – und selbst das ist noch arg geschönt.

Der Bundesstaat versucht es mittlerweile mit fast schon witzigen Tricks, wie der Wirtschaftsinformationsdienst Bloomberg befindet. In einem Artikel vom 25. Februar wird berichtet, dass Kalifornien ein Gesetz verabschiedet hat, das es erlaubt, die Zahlungen an staatliche Einrichtungen einfach aufzuschieben, um Investoren zu beruhigen und Vertrauen in das Finanzgebaren des Bundesstaates aufzubauen. Damit die Kassen ein wenig besser aussehen, werden die Haushaltsposten für Schulen, Universitäten, Kommunalverwaltungen und andere öffentliche Einrichtungen einfach nicht ausgezahlt.

Durch den Senat ist das Gesetz schon gegangen und muss nur noch von Schwarzenegger unterschrieben werden.

Es ist aber nicht so, dass dieses Gesetz nun tatsächlich eine deutliche Verschlechterung für die genannten öffentlichen Einrichtungen darstellt. Die ihnen zustehenden Gelder haben diese Institutionen schon seit Langem nicht mehr pünktlich, wenn überhaupt bekommen. Kalifornien gibt nun schon im zweiten Jahr massenweise sogenannte IOUs (I owe You = ich schulde Ihnen, Schuldscheine) heraus, mit denen alles bezahlt wird, wofür kein Geld da ist. Besonders pikant: Die von ihm selbst herausgegebenen Schuldscheine erkennt der Staat nicht als Zahlungsmittel gegen sich selbst an. Bürger haben beim Versuch, Steuerschulden durch staatliche Schuldscheine zu begleichen, eine Abfuhr erhalten. Das erhöht das Zutrauen in die Werthaltigkeit der Schuldscheine natürlich ungemein.

Das Finanzamt lässt aber im Gegenzug nicht etwa den Steuerzahler wenigstens in Ruhe. Neueste Verzweiflungstaktik ist, den Steuerzahler mit hohen Vorauszahlungen zu piesacken. Zuschrift eines Bloggers auf der Webseite Mish’s, einer Wirtschaftsanalyse-Seite:

»Hallo Mish, habe gerade meine Steuerunterlagen vom Finanzamt bekommen. Kalifornien fordert von mir, 30 Prozent meiner geschätzten Jahreseinkommensteuer am 15. April zu zahlen und weitere 50 Prozent bis zum 15. Juni. Die Zahlung der restlichen 20 % Einkommensteuer ist am 15. Januar 2011 fällig. Sie fordern 80 % meiner Jahressteuern nach 6 Monaten, und besteuern ein Einkommen, das ich überhaupt noch im Laufe des Jahres verdienen muss.«

Das mit dem Verdienen wird aber immer schwieriger. Der Konsum bricht überall dramatisch ein, Einkaufszentren, ja ganze Gewerbegebiete sind verwaist und verfallen. Die Bürger sind meist bis zur Halskrause verschuldet und können oder wollen nicht mehr konsumieren. Jeder kann jeden Tag seinen Job verlieren. Die Zeiten, wo man sich als Staatsdiener sicher wähnen konnte, sind vorbei.

Allein am letzten Freitag, den 5. März, erhielten in San Francisco 15.000 (in Worten fünfzehntausend) städtische Angestellte ihr Entlassungsschreiben. Der größte Teil der Gefeuerten soll zwar wieder eingestellt werden, aber zu anderen Konditionen. Das heißt konkret, weniger Arbeitsstunden und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für deutlich weniger Geld. Die desolate Finanzlage der Stadt mache diesen Schritt unumgänglich. 50 Millionen Dollar sollten eingespart werden, sickerte mittlerweile durch. Anfragen hierzu oder zu den neuen Konditionen einer Wiedereinstellung an die Stadt, das Pressebüro und das Büro des städtischen Rechnungsprüfers wurden bisher nicht beantwortet.

Es steht zu erwarten, dass die Gewerkschaften um die Konditionen hart kämpfen werden, sodass die Stadt wahrscheinlich, um das Sparziel zu erreichen, zu großen Entlassungen gezwungen sein wird. San Francisco ist nur eine von vielen Städten und Gemeinden, die zu einem rigorosen Stellenabbau gezwungen sind.

Das wiederum wird die sowieso schon hochschnellende Zahl an Privatinsolvenzen in den Staaten weiter befeuern. Die Zeitung USA today meldete am 4. März, dass immer mehr Konsumenten in den USA Insolvenz anmelden. Im Vergleich zum Vorjahres-Februar, und das war schon in der absoluten Finanzkrisenzei neun Prozent. Insgesamt werden die Privatinsolvenzen in diesem Jahr voraussichtlich die Marke von 1,5 Millionen übersteigen.

Dennoch wird immer wieder in allen Medien von einer wirtschaftlichen Erholung gefaselt. Beinahe jeder Artikel über Stellenabbau, Insolvenzen und ausufernde Staatsschulden beginnt mit dem Einleitungssatz: »Trotz der einsetzenden wirtschaftlichen Erholung« … und dann kommt die Hiobsbotschaft.
Nach dem Mantra der Erholung folgt meist noch irgendeine fadenscheinige Begründung: Der harte Winter hat zu einem Stellenabbau geführt, die globale Erwärmung schadet weiten Teilen der Wirtschaft, Stürme haben der Volkswirtschaft geschadet, der Börsenaufschwung konnte noch nicht auf die kleinen Leute durchschlagen, die Zunahme an Zeitarbeitsjobs ohne jede Arbeitnehmerrechte nimmt aber die einsetzende positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt vorweg …

Die Tatsache, dass im Bausektor im Januar noch 77.000 Stellen verloren gegangen waren, im Februar aber schon nur noch 64.000 Stellen, befeuert sogar die Financial Times zu Jubelartikeln. »Das Zahlenwerk stärkt das Vertrauen in einen Aufschwung«, meint ING-Volkswirt Rob Carnell.

Hallo? In der Schule Mathematik gehabt? Wenn ich von zehn Leuten beim ersten Mal sechs entlasse, sind noch vier übrig. Wenn ich dann die vier Verbleibenden noch rauswerfe, ist die Zahl der Entlassungen deutlich zurückgegangen, und ein sicheres Zeichen für den Aufschwung?

Auf dem Arbeitsmarkt der USA lasse die Trendwende noch auf sich warten, und das, obwohl die hochgerechnete Wachstumsrate bei 5,9 Prozent liegt, meint Postbank-Volkswirt Heinrich Bayer. Die großen Firmen wie General Motors, Caterpillar, General Electric usw. seien sehr zurückhaltend und stellen einfach nicht ein, weil die Verkaufszahlen so schlecht sind. Und die trüben Aussichten auf dem Jobmarkt drücken auf die Stimmung der Verbraucher. Die wollen einfach nicht kaufen. Der Konsum macht aber in den USA 70 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, was die Firmen wiederum zu Sparkursen und Entlassungen zwingt. Auch der Rückgang der Wochenarbeitszeit bei den noch bestehenden Arbeitsverhältnissen stimme skeptisch.

Außerdem taumelt der Immobilienmarkt immer noch tiefer in den Strudel von fallenden Preisen und Krediten, die »unter Wasser« sind. Nun geht es bei den Gewerbeimmobilien erst richtig los, während sich die Situation auf dem Privatimmobilienmarkt keineswegs entspannt hat. Die Banken müssen sich auf eine weitere Abschreibungswelle einstellen.

Das kontrastiere doch mit den zuletzt sehr guten Stimmungsdaten, findet Heinrich Bayer.

Fein beobachtet, möchte man sagen.

Möglicherweise, vielleicht nur möglicherweise stimmt da was nicht mit den Stimmungsdaten?
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