www.meidling-forum.at Foren-Übersicht www.meidling-forum.at

 
 FAQFAQ   SuchenSuchen   MitgliederlisteMitgliederliste   BenutzergruppenBenutzergruppen   RegistrierenRegistrieren 
 ProfilProfil   Einloggen, um private Nachrichten zu lesenEinloggen, um private Nachrichten zu lesen   LoginLogin 

»Hoppla! Wir meinten sieben BILLIONEN!«

 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen    www.meidling-forum.at Foren-Übersicht -> WIRTSCHAFT - FINANZ
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
admin



Anmeldungsdatum: 22.07.2004
Beiträge: 2347

BeitragVerfasst am: Do Mai 14, 2009 3:46 pm    Titel: »Hoppla! Wir meinten sieben BILLIONEN!« Antworten mit Zitat

Was Hank und Ben vorhaben und wie sie das alles bezahlen wollen
Ellen Brown

Die 700 Milliarden Dollar, die Finanzminister Hank Paulson im Oktober dem US-Kongress abgerungen hat, war offenbar nur die Spitze des Eisbergs. Einem »Bloomberg«-Bericht vom 24. November zufolge ist das Paulson/Bernanke-Team jetzt bereit, die Summe von 7,76 Billionen Dollar zur Rettung des Finanzsystems zu zahlen. Bereit zu zahlen – aber wie?

»Wir schöpfen Geld auf die altmodische Weise. Wir drucken es.«

Der Kongress hat die Verschuldungs-Obergrenze auch nicht annähernd in dieser Größenordnung festgesetzt, aber offensichtlich ist die Zustimmung des Kongresses, der ja ursprünglich das umstrittene Rettungspaket von 700 Milliarden Dollar abgelehnt hatte, auch gar nicht mehr erforderlich.

Das Tor ist offen und der Finanzminister und Fed-Chef können praktisch alles versprechen, was sie wollen. Vielleicht fügen sie auch eine Null nach der anderen hinzu, nur um zu sehen, wie weit die Öffentlichkeit unbezahlbare Schulden toleriert. Die neue Summe – 7,76 Billionen Dollar – bedeutet 25.000 Dollar für jeden Bürger der USA, oder die Hälfte des Wertes der Gesamtproduktion des letzten Jahres; aber es ist noch lange nicht gesagt, dass die Hälfte unseres Nettowerts ausreicht, um das Finanzsystem zu retten. Einer bankrotten Bank nach der anderen wird mit öffentlichen Geldern aus der Patsche geholfen, in dem vergeblichen Bemühen, einen Kollaps der von den Banken geschaffenen billionenschweren Derivatpyramide zu verhindern. Aber nach Angaben des Bankenaufsichtsamts führen die amerikanischen Geschäftsbanken derzeit 180 Billionen Dollar an Derivaten in ihren Büchern. Wahrscheinlich wird die Bevölkerung in den Bankrott getrieben, bevor dieser Schlamassel bereinigt wird.

Zusätzlich zu den 700 Milliarden Dollar, die dem Kongress ursprünglich abgepresst worden waren, haben die Federal Reserve und das Finanzministerium bereits weitere zwei Billionen Dollar an Krediten und Kreditzusagen ausgegeben. Aber diese Unsummen haben den Kollaps der gefährdeten Banken nicht verhindern können. Citigroup gehörte im Oktober zu den neun glücklichen vom US-Finanzminister großzügig bedachten Finanzinstituten, als Paulson sich daran machte, den Banken im Austausch gegen Anteile frisches Kapital zur Verfügung zu stellen. Citigroup erhielt vom US-Finanzministerium rund 25 Milliarden Dollar, doch dies Almosen reichte nicht aus, um den Absturz der Aktien auf unter vier Dollar pro Stück zu verhindern. Daraufhin griff das Finanzministerium der Citigroup mit weiteren 20 Milliarden Dollar unter die Arme und übernahm außerdem eine Garantie über die 306 Milliarden Dollar an »Gifteinlagen« in den Büchern der Citibank. Das entspricht fast der Hälfte des 700 Milliarden Dollar schweren Rettungspakets – für eine einzige Bank –, und trotzdem sehen die Bücher der Citigroup, die Derivatwetten in Höhe 37 Billionen Dollar ausweisen, nicht viel besser aus als vorher.

Derweil fragen sich die Finanzexperten, woher das ganze Geld eigentlich kommen soll. Der Kongress hat diesen billionenschweren Summen nicht zugestimmt und in den Büchern der Federal Reserve tauchen sie auch nicht auf. Einen Hinweis auf dieses Rätsel erhielten wir am 25. November, als die New York Times berichtete:

»Bei der ersten von zwei neuen Maßnahmen …, haben das Finanzministerium und die Fed erklärt, sie wollten ein 200-Milliarden-Dollar-Programm auflegen, um Geld gegen Wertpapiere zu verleihen, die durch Auto- und Studienkrediten sowie Kreditkartenschulden und sogar durch kleine Geschäftskredite gestützt seien. Das Finanzministerium werde 20 Milliarden Dollar der neuen Krediteinrichtung, der sogenannten ›Term Asset-Backed Securities Loan Facility‹, zur Verfügung stellen und außerdem alle Verluste bis zur Höhe von 20 Milliarden Dollar garantieren. Die Federal Reserve werde dieser neuen Einrichtung sogar bis zu 180 Milliarden Dollar leihen. Diese neue Einrichtung würde dann zinsgünstige Kredite an Unternehmen vergeben, die Sicherheiten in Form von Wertpapieren hinterlegten, die durch Verbraucherschulden oder Geschäftskredite gestützt waren.«

Es scheint, dass die 20 Milliarden Dollar vom Finanzministerium als »Reserve« dienen sollen, um in den Büchern der Fed und ihres Bankennetzwerks Kredite in Höhe von 200 Milliarden Dollar zu generieren. Die Mindestreserven der Federal Reserve für das Privatbankgeschäft liegen im »Mindestreservesystem« bei zehn zu eins. Die New Yorker Fed hat mittlerweile die ehemalige Diskussion über diesen Prozess der Geldschöpfung von ihrer Internetseite genommen, aber im Jahr 2004 erklärte sie diesen Vorgang folgendermaßen:

»Mindestreserven … werden als Prozentanteile von Einlagen berechnet, die die Banken als Bar-Einlagen in ihrem Tresor oder als Einlagen bei der Federal Reserve halten müssen … Im Juni 2004 betrug die Mindestreserve zehn Prozent für Transaktionseinlagen [Einlagen, die den Einlegern sofort zur Verfügung stehen] … Beträgt die Mindestreserve beispielsweise zehn Prozent, dann kann eine Bank, die eine Einlage von 100 Dollar erhält, 90 Dollar von dieser Einlage verleihen. Stellt der Kreditnehmer dann jemandem einen Scheck aus, der diese 90 Dollar wieder bei der Bank deponiert, dann kann die Bank, die diese Einlage entgegennimmt, weitere 81 Dollar verleihen. Wenn sich dieser Prozess fortsetzt, dann kann das Bankensystem die ursprüngliche Einlage von 100 Dollar auf ein Maximum von 1000 Dollar erhöhen (100 $ + 90 $ + 81 $ + 72,90 $ + … = 1000 Dollar).«

In einer aufschlussreichen Broschüre mit dem Titel Modern Money Mechanics (zu deutsch: Moderne Geldmechanik) hat die Chicago Federal Reserve erklärt, wie durch die Mindestreserven-Kreditvergabe das Geld »ausgeweitet« werden kann. Die Broschüre ist inzwischen vergriffen – vielleicht, weil darin zu viel verraten wurde –, aber sie ist noch im Internet zu finden. Auf Seite 11 der Broschüre findet sich eine hilfreiche Grafik (siehe oben), die zeigt, dass die ursprüngliche Einlage nicht wirklich »verliehen« wird, sondern während des gesamten Ausweitungsprozesses in der Bank verbleibt. Ausgeliehen wird hingegen eine neugeschöpfte Summe in den Büchern der Bank, die mit 90 Prozent der ursprünglichen Einlage bewertet wird. Dann wird eine weitere Summe im Wert von 90 Prozent der zweiten Einlage verliehen und so weiter, bis die geschaffene Gesamtsumme das Zehnfache der ursprünglichen Einlage beträgt, wobei bei jedem Schritt dieses Weges ordentliche Summen an Zinsen einkassiert werden.

In dem Artikel der New York Times vom 25. November heißt es weiter:
»Finanzminister Henry M. Paulson Jr. hat klargestellt, dass die neue Kreditfazilität nur ein ›Startpunkt‹ war und auf viele andere Arten von Schulden ausgedehnt werden könnte, wie beispielsweise kommerzielle hypothekenbesicherte Wertpapiere … Zum ersten Mal haben die Fed und das Finanzministerium interveniert, um Verbraucherschulden zu finanzieren. Das 200-Milliarden-Dollar-Programm kommt einer staatlichen Bank nahe.«

Eine staatliche Bank, die jedem qualifizierten Kreditnehmer Kredite zur Verfügung stellt, ist keine schlechte Idee. Zumindest scheint dies sinnvoller zu sein, als die Zinsraten zu manipulieren – das herkömmliche Mittel der Federal Reserve zur Regulierung der Geldmenge. Als Paul Volcker 1980 den Zinssatz auf 20 Prozent anhob, hat er einen Großteil der Dritten Welt in den Bankrott getrieben; und als Alan Greenspan 2001 den Zinssatz für kurzfristige Anleihen auf ein Prozent senkte, öffnete er die Schleusen für die Immobilien- und Derivatblasen, die heute die USA in den Bankrott treiben. Eine regierungs- bzw. staatseigene Bank, die der Wirtschaft in offener, verantwortlicher und unparteiischer Weise Kredite gewährt, könnte das beste Rezept sein. Das Problem liegt darin, dass die Federal Reserve eben keine staatseigene Bank ist (sie gehört einem Konsortium privater Banken); außerdem vergibt sie den Staatskredit nicht offen und unparteiisch. Die Fed hat die Empfänger ihrer Großzügigkeit weitgehend verschwiegen – dagegen klagt Bloomberg News derzeit, gestützt auf den »Freedom of Information Act« –, aber sie begünstigt eindeutig ihre Banken-Spezis gegenüber den Verbrauchern.

Man muss auch wissen, dass es sich bei den »Konsumentenkrediten«, welche die Fed jetzt angeblich finanziert, nicht um Direktkredite an Amerikas Verbraucher handelt. Die Kredite gehen an Kreditgeber, die auf Konsumentenschulden sitzen (»Unternehmen, die Sicherheiten auf der Basis von Wertpapieren stellen, die durch Verbraucherschulden oder Geschäftskredite gestützt sind«). Wie bei den Subprime-Hypotheken haben Kreditgeber jeder Person, die sie akzeptierte, Kreditkarten oder Studienkredite aufgedrängt; denn diese Kreditgeber hatten nie die Absicht, diese riskanten Kredite in ihren Büchern zu behalten. Sie wollten sie nur als »Wertpapiere« verpacken und anschließend an Investoren verkaufen. Doch da die Investoren inzwischen begriffen haben, dass es sich dabei um Schwindel handelt, kaufen sie derartige Produkte nicht mehr. Deshalb schreitet die Fed ein: sie bürgt für die Schulden und vergibt »Kredite«, die sie durch Bucheinträge in ihren Büchern geschöpft hat. Werden diese Kredite nicht zurückgezahlt, dann übernehmen wir, die Bürger, die Rechnung, entweder direkt oder durch die »verborgene Steuer« der Inflation. Den Nutzen haben die Kreditgeber, die ungeschoren davonkommen, während die Menschen das Risiko und die Verluste tragen.

Sind diese Investitionen den Investoren zu riskant, dann sollten sie doch auch der »Staatsbank« zu riskant sein. Wir brauchen keine weiteren Verbraucherschulden, um die Wirtschaft in Gang zu halten. Wir brauchen höhere Löhne und Gehälter, und das bedeutet: mehr Jobs. Anstatt die »Finanz«-Industrie (das Geschäft von »Geld-macht-Geld«) zu stützen, sollte die Fed den Unternehmen, der Bundesregierung oder der kommunalen Verwaltung und anderen qualifizierten Mitgliedern der produzierenden Wirtschaft zinsgünstige Kredite gewähren.

Dem Bailout-Szenario von Paulson und Bernanke zuzuschauen, ist ungefähr so, als betrachte man das Ende des Films El Cid mit Charlton Heston, wo die Spanier ihren toten General auf seinem Pferd stützen und die Mauren attackieren, um ihnen den Eindruck zu vermitteln, der Held lebe noch und führe sie an. In diesem Fall stützen Paulson und Bernanke aber keine Nationalhelden, sondern angebliche Bankiers, die nicht nur völlig nutzlos sind, sondern ihre Inkompetenz zur Führung von Bankgeschäften unter Beweis gestellt haben. Der Kongress könnte sich dies kostspielige Theater ersparen, indem er entweder die Federal Reserve verstaatlicht oder eine eigene staatliche Kreditfazilität aufbaut; eine Einrichtung, die genauso wie Privatbanken Kredite in ihren Büchern schöpft und sie offen, unparteiisch und zinsgünstig an qualifizierte Kreditnehmer vergibt. Unqualifizierte Kreditnehmer dagegen sollten abgewiesen werden, und dazu gehören insolvente Privatbanken, die einem ordentlichen FDIC-Konkursverfahren unterwerfen werden sollten; d.h. ihre Bücher müssen bereinigt und sie sollten als wirklich »nationale« Banken reorganisiert werden, welche die »volle Würdigung und Anerkennung (credit) der Vereinigten Staaten« zum Wohle des amerikanischen Volkes mehren.

Kopp-Verlag
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen    www.meidling-forum.at Foren-Übersicht -> WIRTSCHAFT - FINANZ Alle Zeiten sind GMT + 2 Stunden
Seite 1 von 1

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.


Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group