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Im dritten Anlauf (I) Kampf um die Anerkennung des Kosovo!

 
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Eberndorfer



Anmeldungsdatum: 10.09.2006
Beiträge: 2267

BeitragVerfasst am: So März 29, 2009 2:54 am    Titel: Im dritten Anlauf (I) Kampf um die Anerkennung des Kosovo! Antworten mit Zitat

Im dritten Anlauf (I)
(Kampf um die Anerkennung des Kosovo)
23.03.2009
BERLIN/BELGRAD/PRISTINA

Kurz vor dem zehnten Jahrestag des NATO-Überfalls auf Jugoslawien hat das Auswärtige Amt mit der Schulung von "Diplomaten" des illegalen Sezessionsregimes in Pristina begonnen. Der erste "Lehrgang" ist vor wenigen Tagen in Berlin beendet worden. Er setzt frühere Bemühungen der Bundesregierung fort, die prowestlichen Statthalter, die durch den Krieg im Kosovo an die Macht gebracht worden sind, mit staatlichen Strukturen auszustatten und damit ihre Sezession von Belgrad unumkehrbar zu machen.

Nach wie vor hat nur eine klare Minderheit der UNO-Mitglieder die Abspaltung des Kosovo anerkannt - trotz massiven deutsch-amerikanischen Drucks. Zumindest ein Anerkennungsvorgang soll nicht nur mit politischen Interventionen, sondern darüber hinaus durch Schmiergeld in die Wege geleitet worden sein. Berlin und Washington verstärken in jüngster Zeit den Druck auf Belgrad, seinen Widerstand gegen die Sezession aufzugeben. Die desaströse ökonomische und soziale Entwicklung, die das Kosovo seit dem NATO-Überfall erlebt, wird an diesem Montag im UN-Sicherheitsrat behandelt.

In Berlin ist vor wenigen Tagen der erste mehrwöchige "Diplomatenlehrgang" des Auswärtigen Amts für das kosovarische Sezessionsregime zu Ende gegangen. Erfahrene deutsche Diplomaten schulten zwölf Mitarbeiter des Pristinaer "Außenministeriums", das die internationalen Aktivitäten der kosovarischen Sezessionisten gestalten soll.

Den Mitarbeitern, die als "Diplomaten" auftreten, obwohl nur eine klare Minderheit aller UNO-Mitglieder die Abspaltung des Kosovo anerkannt hat, wurden in der deutschen Hauptstadt verschiedene Grundkenntnisse und Fähigkeiten vermittelt: Informationen über wichtige Gegenstände der internationalen Politik, aber auch Techniken der Verhandlungsführung, der Rhetorik und des Umgangs mit den Medien. Dies solle "beim Aufbau des diplomatischen Diensts Kosovos helfen", heißt es in Berlin über das Projekt, das einen weiteren Schritt zur Festigung der kosovarischen Sezessionsstrukturen darstellt.[1]

Fakten schaffen

Damit setzt Berlin seine bisherige Politik fort, die darauf abzielt, die Abspaltung Pristinas von Belgrad, einem traditionellen Opponenten der Berliner Südosteuropa-Expansion, unumkehrbar zu machen. Die Sezession, ermöglicht durch den völkerrechtswidrigen NATO-Überfall auf Jugoslawien und die anschließende Tätigkeit insbesondere deutscher Besatzungskräfte in der südserbischen Provinz [2], wird trotz massiven deutsch-amerikanischen Drucks bis heute nur von 56 UNO-Mitgliedstaaten anerkannt; ihre völkerrechtliche Überprüfung durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag ist im Gange.

Berlin will Fakten schaffen und unterstützt Pristina beim Aufbau staatlicher Institutionen; neben dem Außenministerium gilt dies für Polizei und Justiz (im Rahmen von EULEX) sowie für die Armee [3]. Die kosovarischen Streitkräfte (Kosovo Security Force, KSF) sind in diesem Januar offiziell gegründet worden. Sie profitieren von verschiedenen Beihilfen der Bundeswehr. Ende 2009 sollen sie vollständig einsatzbereit sein und sich an Manövern sowie an Operationen der NATO beteiligen. Das Personal für die diplomatische Begleitung der Interventionen ist am Wochenende vom "Diplomatenlehrgang" in Berlin nach Pristina zurückgekehrt.

Kredit gegen Anerkennung

Daneben erhöhen Berlin und Washington den diplomatischen Druck auf Belgrad, seinen Widerstand gegen die Sezession aufzugeben. Das deutsch-amerikanische George C. Marshall European Center for Security Studies hält in diesen Tagen eine regionale Polizeikonferenz ab, zu der fast alle Staaten Südosteuropas geladen sind - inklusive Serbien.[4]

Tagungsort ist Pristina, Mitveranstalter sind die dortige US-Botschaft und das kosovarische "Innenministerium". Der impliziten Aufforderung an Belgrad, Pristinas "Staatlichkeit" anzuerkennen, folgt direkter Druck: Berichten zufolge will Washington dringend benötigten IWF-Krediten für Serbien nur zustimmen, wenn dessen Regierung die illegale Sezession ihrer Südprovinz im Nachhinein legalisiert.[5]

Schmiergelder

Dass bei den westlichen Versuchen, eine möglichst hohe Zahl an Staaten zur Anerkennung der kosovarischen Sezession zu drängen, nicht nur politischer Druck, sondern womöglich auch Schmiergeld im Spiel ist, legt eine Untersuchung nahe, die vor wenigen Tagen ein Parlamentsausschuss der Malediven in die Wege geleitet hat. Dort sind Vorwürfe laut geworden, der Außenminister des Landes habe nicht nur unter britischem und US-amerikanischem Druck gestanden, sondern auch zwei Millionen US-Dollar von einem Geschäftsmann aus dem Kosovo erhalten, um die Anerkennung des Sezessionsregimes durchzusetzen.[6]

Die Malediven erkannten das Kosovo Mitte Februar an. Fest steht, dass der Außenminister wenige Tage später nach Berlin reiste; dort suchte er um deutsche Unterstützung für die Polizei seines Landes und um deutsche Investoren nach.[7]

Katastrophal

Die politischen Kämpfe um die völkerrechtswidrige Sezession der südserbischen Provinz werden auch zehn Jahre nach dem NATO-Überfall auf Jugoslawien von einer anhaltend desaströsen sozialen und ökonomischen Entwicklung begleitet. Im Kosovo standen letztes Jahr Exporte im Wert von 200 Millionen Euro Einfuhren im Wert von 1,9 Milliarden Euro gegenüber [8] - ein Rekord-Handelsbilanzdefizit, das, wie der Publizist Hannes Hofbauer in einer kürzlich erschienenen Publikation beschreibt, durch die Ruinierung eines jeden industriellen Ansatzes im Kosovo durch die westliche Besatzungsherrschaft verursacht worden ist.[9]

Wie es in einem Bericht des UN-Generalsekretärs heißt, der an diesem Montag vom UN-Sicherheitsrat behandelt werden soll, kehren immer weniger Flüchtlinge in das westliche Protektorat zurück; die Diskriminierung der Roma wird mittlerweile selbst vom US State Department als katastrophal beurteilt.[10] Nicht einmal der Frauenhandel gehe zurück, heißt es in Berichten von Nachrichtenagenturen [11]; in die mafiotischen Strukturen sind zahlreichen Berichten zufolge selbst höchste "Regierungs"-Kreise in Pristina verwickelt (german-foreign-policy.com berichtete [12]).

Tragödie

Die zehnjährige Tragödie im Kosovo charakterisiert markant die Durchsetzung deutscher Hegemonie über Südosteuropa, die mit der Sezession Pristinas einen vorläufigen Abschluss findet, aber bereits in den 1990er Jahren begann - zum dritten Male binnen eines Jahrhunderts. An die drei deutschen Versuche, in Südosteuropa mit kriegerischen Mitteln zur Vormacht zu werden, erinnert german-foreign-policy.com am morgigen Dienstag - am zehnten Jahrestag des NATO-Überfalls auf Jugoslawien.

Bitte lesen Sie auch unsere Rezension des Bandes Experiment Kosovo von Hannes Hofbauer.

Weitere Informationen zur deutschen Kosovo-Politik finden Sie hier: Aufs engste verflochten, Politische Freundschaften, Heldenfigur, "Danke, Deutschland!", Unter deutscher Aufsicht, Organhandel, Willkür an der Macht, Nach NATO-Standards, Der Zauberlehrling, Die Mafia als Staat und Keine Kompromisse.

[1] Jahresprogramm 2009; www.auswaertiges-amt.de
[2] s. dazu Deutscher Verwalter stellt territoriale Integrität Jugoslawiens in Frage und Berliner Beute
[3] s. dazu Nach NATO-Standards
[4] Eingeladen wurden: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Griechenland, Ungarn, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Slovenien, Türkei.
[5] Geld für Kosovo-Anerkennung; taz 19.03.2009
[6] Majlis Committee launches probe in to IDP allegations on Kosovo; Miadhu News 17.03.2009
[7] US welcome Maldives recognition of Kosovo; Miadhu News 11.03.2009
[8] Kosovo's Trade Deficit €1.7 Billion; BalkanInsight.com 11.03.2009
[9] s. dazu Experiment Kosovo
[10] 2008 Human Rights Report: Kosovo; www.state.gov
[11] Menschenhandel im Kosovo blüht auf; RIA Novosti 10.02.2009
[12] s. dazu Aufs engste verflochten, Politische Freundschaften, Willkür an der Macht, Der Zauberlehrling und Die Mafia als Staat

http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57495


Hannes Hofbauer: Experiment Kosovo
23.03.2009
Die Rückkehr des Kolonialismus
Wien 2008 (Promedia Verlag)

Das Kosovo, resümiert Hannes Hofbauer trocken, startet als "failed state". "Die Kernelemente seiner Wirtschaft funktionieren nicht, sozialer Aufstieg findet zwischen Schwarzmarkt und Massenemigration statt und seine politische Elite steht unter äußerem Druck." Militärisch wird das Gebiet völlig von der NATO kontrolliert, in Zivil herrschen unter dem Deckmantel der UNO vor allem die großen Staaten aus der EU - über den Ausverkauf ehemals staatlichen Eigentums ebenso wie über Polizei und Justiz. Dominant ist in jedem Falle das Ausland, während sich im Innern brutale Mafiastrukturen an die Macht gebracht haben. All dies, schreibt Hofbauer, erinnert stark an die unterschiedlichen Fremdherrschaften in Südosteuropa vor dem Ersten Weltkrieg: Die "Verzahnung von militärischer Präsenz, politischer Oberherrschaft und wirtschaftlicher Macht in den Händen auswärtiger Institutionen schließt (...) an koloniale Traditionen an."

Die Zurichtung des Kosovo zur europäischen Kolonie hat Hannes Hofbauer in seinem neuen Band "Experiment Kosovo" systematisch dokumentiert. Einem eingehenden Überblick über die geschichtlichen Hintergründe des Gebiets folgt ein Abriss der Zerstörung Jugoslawiens in den 1990er Jahren, eine detaillierte Darstellung der Entwicklung des Kosovo unter westlicher Protektoratsherrschaft und ein Ausblick auf die wichtigsten Tendenzen nach der völkerrechtswidrigen Sezession. Hofbauer schreibt in historischer Perspektive, nutzt für den Band seine umfangreichen Recherchen vor Ort, kann dabei auf zahlreiche Interviews mit nicht nur einfluss-, sondern auch einblicksreichen Persönlichkeiten zurückgreifen und gestaltet seinen Bericht mit reportageähnlichen Passagen erfreulich bildhaft. Präzise Beobachtungen zu den zentralen Triebkräften der Entwicklung verleihen seinem Buch Gewicht.

Man könnte Hofbauers Ausführungen zu dem erstaunlichen kosovarischen Handelsbilanzdefizit erwähnen. 200 Millionen Euro betrugen 2008 die Ausfuhren, 1,9 Milliarden Euro - fast das Zehnfache - die Einfuhren. "Kosovo hat eines der liberalsten Handelsregime der Welt", zitiert Hofbauer das fast zynische Lob der Weltbank, "mit zwei Zolltarifsätzen, einem 0%igen und einem 10%igen Tarif sowie ohne jede Mengenbeschränkung". Die Folge: "Massenhafte und billige Einfuhren überschwemmen den kosovarischen Markt und verhindern damit konkurrenzfähige Produktion auf dem Binnenmarkt." Der Ökonom Musa Limani hat diesen Sachverhalt gegenüber Hofbauer folgendermaßen ausgedrückt: "Es gibt keinerlei Schutz für lokale Produzenten - im Gegenteil: Die UNMIK fährt ein auf den Kopf gestelltes merkantilistisches System." "Die örtlichen Strukturen", resümiert Limani, "wurden und werden zerstört."

Eindrücklich ist das Gespräch mit dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Pristina, das Hofbauer Ende 1999 geführt hat - in Belgrad. "Aus unserem Viertel wurden alle vertrieben", berichtet der Vorsitzende der Gemeinde, dessen Mutter, im Jahr 1943 von der SS aus dem Kosovo in das KZ Bergen-Belsen verschleppt, 1999 einen Herzanfall erlitt - "als Albaner im Schutz der NATO ihre Wohnung stürmten". Brutal gingen die nichtjüdischen Kosovaren gegen ihre jüdischen Mitbürger vor: "Die jüdische Gemeinde in Pristina", schreibt Hofbauer, "gibt es nach dem Einmarsch der NATO nicht mehr."

Folgt man Hofbauer, haben die Geschehnisse im Kosovo paradigmatischen Charakter. "Von der Rechtsprechung über die politische Verwaltung bis zur polizeilichen und militärischen Exekutive öffnet sich ein weites Experimentierfeld für hauptsächlich westeuropäische und nordamerikanische Institutionen", schreibt der Wiener Publizist: "Gesellschaftliche Abläufe jenseits bürgerlicher Gewaltenteilung und demokratischer Selbstbestimmung können nach erfolgreichen Probeläufen im Kosovo später anderswo Platz greifen."

http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57496
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