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Störtebeker



Anmeldungsdatum: 14.05.2006
Beiträge: 1256

BeitragVerfasst am: Mi Nov 14, 2007 10:12 pm    Titel: Zeitungen Antworten mit Zitat

Endlich einmal etwas, das ich nicht erst mühsam beschreiben muß. Jeder weiß, daß die Tageszeitung ihm am Morgen den Briefkasten verstopft, zahlreiche bunte Werbeeinleger enthält und uns die blaue Tonne zwecks Entsorgung aufgenötigt hat. Zwischen Briefkasten und Entsorgung liegen hauptsächlich die Todesanzeigen. Zugegeben, ich persönlich würde mir keine Tageszeitung halten, schon gar nicht das örtliche Käseblatt Main-Post. Aber da mein Vater bzw. meine Mutter die seit über 50 Jahren bezieht, füllt die auch bei uns die blaue Tonne. Und dazwischen schaue ich nach den Todesanzeigen.

Eines haben alle Tageszeitungen gemeinsam: die Todesanzeigen auf Seite 1. Gut, Anna Adele Mandlikovski, geboren am 16. März 1908, finden Sie da nicht, die wird schamhaft im Innern der Zeitung versteckt. Dafür müssen deren Kinder, Enkel und Urenkel auch noch bezahlen, damit die Zeitung sich herabläßt und diesen Todesfall gnädig erwähnt. Frau Mandlikovski hat ihr Leben lang gearbeitet, war eine nette Frau gewesen und bei ihren Mitmenschen beliebt - was man von den Toten auf Seite 1 nicht behaupten kann.

Für die Toten auf Seite 1 muß niemand bezahlen, es sind fast immer Leute, die seit Jahrzehnten dem Volk auf der Tasche liegen, wirkliche hohe Pensionen bezogen haben und über die jetzt die letzten Lügen verbreitet werden. Auf jener gleichen Seite 1, auf der kürzlich noch die trauerschwangeren Nachrufe auf den verblichenen Übervater der Nation gestanden waren, liest man womöglich nur wenig später die Abrechung mit dem Monster und Verbrecher, das sich jetzt nicht mehr wehren kann und ins Grab hinein verflucht wird.

Heute Hosianna schreien und nächste Woche ans Kreuz mit ihm, kennen wir ja schon aus einem sehr alten Buch. Und, wie man hört, besitzen Angehörige aus jenem alten Volk der Bibel nicht nur Großbanken, die ihren Kunden für nicht gekauftes Silber jahrelang Gebühren abknöpfen, sondern ganze Medienimperien.

Deshalb brauchen wir ja auch unbedingt eine freie Presse. Denken Sie nur an Watergate oder die SPIEGEL-Affäre… Ohne die freie Presse können die Mächtigen dieser Welt machen, was immer sie wollen. Mit der ach so freien Presse allerdings auch, denn jenen investigativen Reporter, der für seine Enthüllungsgeschichte jeden Widerstand überwindet, und jenen Zeitungsverleger, der allen möglichen Anfeindungen zum Trotz die Wahrheit publiziert, gibt es nur noch in schön herausgeputzten Filmen.

Die SPIEGEL-Affäre war 1962, kurz bevor Bundeskanzler Adenauer abgelöst wurde. Und Watergate war 1973, als Präsident Nixon abgelöst werden sollte, weil der Vietnam-Krieg inzwischen mehr Geld kostete, als daran zu verdienen war. Merkwürdig, nicht wahr?

Journalist ist ein sehr begehrter Beruf. Sehr viele Leute träumen davon, ihren Mitmenschen auf die Nerven gehen zu können, ohne daß die es wagen, sich zu wehren, weil sie sonst von den versammelten Schandmäulern und Schmierfinken in der Zeitung öffentlich angeprangert werden.

Neben diesem Mythos gibt es jedoch den Alltag. Und der sieht weitaus weniger glamourös aus. Gut, bei Lokalereignissen in einem örtlichen Verein kann man vielleicht noch den Drecksack heraushängen lassen, aber sobald ein wenig Macht hinter dem Betroffenen steht, werden die ach so investigativen Journalisten sehr, sehr vorsichtig. Denn für jeden arbeitenden Journalisten gibt es fünf Bewerber, die gerne arbeiten würden, auch für das provinziellste Käseblättchen, Hauptsache es gibt den prestigeträchtigen Presseausweis.

Bei halbwegs wichtigen Ereignissen treten Journalisten im Rudel auf. Wenn also der Herr Ministerpräsident im Rahmen eines Festaktes die erste öffentliche Bedürfnisanstalt in der Fußgängerzone von Nordoosterstedt ihrer Bestimmung übergibt, drängeln sich zwei Dutzend Pressephotographen, acht Radioteams und sechs Fernsehkameras um die besten Aufnahmen. Wer nicht gerade vom ZDF kommt oder schon Wahlwerbung für den Herrn Ministerpräsidenten verfaßt hat, braucht nicht auf ein Exklusivinterview zu hoffen. Der muß das vorgefertigte “Statement” vom ökologischen Fortschritt mit menschlichem Antlitz abdrucken, das ihm der Pressereferent nach der höchstministeriellen Erleichterung aushändigt.

Der Normal-Journalist bekommt ein Thema vorgesetzt, das er in 38 Zeilen zu maximal 62 Anschlägen erschöpfend bearbeiten muß, ohne wichtige Anzeigekunden zu verschrecken und ohne sich dabei mit Staat, Kirche, Migrantenverbänden und Zentralräten anzulegen. Dieser Text wird dann vom Chefredakteur gegengelesen und bei Bedarf so freizügig wie unflätig kritisiert. Denn der Chefredakteur hat einen wunderbaren Posten, bei dem er eine ganze Bande unterwürfiger Journalisten nach Lust und Laune schikanieren kann.

Warum er das kann? Weil die Damen und Herren Journalisten ihren Job behalten wollen und deshalb lieber auf die eigene Meinung und ihre Unabhängigkeit verzichten als auf ihren Gehaltsscheck. Warum er das tut? Weil auch der Herr Chefredakteur seinen Job behalten möchte und er deswegen seit Jahrzehnten auf seine eigene Meinung und seine Unabhängigkeit verzichtet hat, aber eben nicht auf seinen Gehaltsscheck.

Auch der Chefredakteur hat einen Chef über sich, der ihn jederzeit feuern kann. Dieser Chef ist entweder der Geschäftsführer oder der Eigentümer der Zeitung. Jedenfalls ist das jemand, der Rücksicht zu Gunsten des Geschäfts nimmt. Eine Zeitung braucht Abonnenten und Käufer, deshalb stehen darin Artikel, die den Abonnenten und Käufern gefallen. Aber die Zeitung möchte Anzeigen veröffentlichen, deswegen werden die Anzeigenkunden tunlichst geschont und bestenfalls ganz milde kritisiert. Außerdem möchte die Zeitung weiterhin Exklusiv-Interviews mit der Frau Dr. Oberbürgermeisterin führen dürfen, also wird sie die Frau Dr. Oberbürgermeisterin ebenfalls nur ganz sachte kritisieren.

Das heißt, der oberste Zeitungsgewaltige bestimmt, was im Blatt wie zu stehen hat. Und wenn dieser oberste Zeitungsgewaltige mit der bedrängten hochgerüsteten Atommacht Israel sympathisiert, hat eben jeder Mitarbeiter im Springer-Verlag in seinem Arbeitsvertrag stehen, daß er Israel positiv darzustellen habe.

Ja, früher war das ein bißchen anders. So war DER SPIEGEL bis in die 70er Jahre hinein das linksintellektuelle Kampfblatt, eine BILD-Zeitung für Sozialliberale, deren Mitarbeiter versuchen, mit dem Florett zu argumentieren, wo das Original die Streitaxt benutzt.

Heute besteht zwischen den Zeitungen und Zeitschriften im Land eine ähnliche Bandbreite wie in der Politik, wo wir Parteien der konservativen Mitte, der sozialen Mitte, der christlichen Mitte, der liberalen Mitte, der ökologischen Mitte und der linken Mitte vorfinden. Ganz grob lassen sich die Medien heute in “Sehr gut, Frau Bundeskanzlerin”-Blätter und in “Hervorragend, Frau Bundeskanzlerin”-Blätter unterteilen. Allerdings sind die Grenzen fließend und hin und wieder wechseln Zeitungen schon mal das Lager.

Ein kritisches Hinterfragen der Regierungspolitik findet nicht mehr statt. Sämtliche Zeitungen beziehen Ihre Nachrichten von den großen Presseagenturen Reuters und dpa, daraus entstehen austauschbare Artikel. Höchstens der Umfang - die BILD beschränkt sich auf 800 Anschläge, wo der Kollege vom SPIEGEL den Leser mit 20.000 Anschlägen unterhalten darf.

Erinnern Sie sich an den betrunkenen “Deutsch”-Äthiopier, der eine Schlägerei angezettelt hatte? In trauter Einheitlichkeit prügelte die gesamte Presse auf die “Täter” ein, sprach von “Ausländerfeindlichkeit” und sparte auch nicht mit den üblichen Vergleichen mit der Liebling-Zeit oder dem Schreckgespenst der neu aufblühenden Rechtsradikalität. Nachdem diese Sau wochenlang durch den Blätterwald getrieben worden war, erwiesen sich alle Anklagepunkte gegen die nunmehr nur noch “Verdächtigen” als haltlos und das Thema wurde still und heimlich beerdigt. Die Feststellung, daß kein fremdenfeindlicher Akt vorgelegen und man sich völlig vergaloppiert hatte, war den Blättern kein Gramm Druckerschwärze wert.

Die schiere Anzahl der Blätter spiegelt eine Meinungsvielfalt vor, die sich bei genauerem Hinsehen jedoch schnell als Meinungseinfalt entpuppt. Die Medien sind nicht etwa gleichgeschaltet, denn das würde ja eine konzertierte Aktion erfordern. Und wie wir aus den Medien wissen, gibt es eine solche Aktion, wie sie uns die vollständig gefälschten “Protokolle der Weisen von Zion” einreden wollen, natürlich nicht.

Die Gleichschaltung erfolgt dadurch, daß alle Zeitungen und ihre Verlage in erster Linie nicht mehr idealistische Beobachter und Kommentatoren der Ereignisse sind, sondern Wirtschaftsunternehmen, in denen der Rotstift der Buchhalter regiert. Eine Bevölkerung, die, aus welchen Gründen auch immer, eine stromlinienförmige Einheitsmeinung vorformuliert haben möchte, wird in den Zeitungen mit einem pürierten Einheitseintopf bedient.

Das Ergebnis ist die Abstumpfung von beiden Seiten. Journalisten werden so zu den Huren der öffentlichen Meinung, die gegen Entgelt ihre Seele verkaufen, in der schwachen Hoffnung, am Ende der Gehirnwäsche Chefredakteur zu werden. Der “mündige Bürger” wird immer mehr eingelullt und von unangenehmen Wahrheiten verschont. Das beraubt ihn zwar seiner Mündigkeit, beschert ihm jedoch ein ruhiges Leben, mit Jahresurlaub, Bier und Farbfernsehen.

Wer liest schon gerne davon, daß der ach so großartige Aufschwung bei ihm nie ankommen wird? Da würde vielleicht jemand beschließen, doch kein neues Auto zu kaufen, wodurch der Autohändler keine Anzeige mehr zu schalten bräuchte, was den Gewinn der Zeitung vermindert und den Arbeitsplatz des Journalisten gefährdet. Also werden solche Meldungen hinausgezögert, bis es sich nicht mehr vermeiden läßt.

Sieben Prozent Inflation? Das schreibt man höchstens im Konjunktiv, wenn das regierungsamtliche statistische Bundesamt diese auf zwei Prozent geschönt hat. Und sollten zu viele Leserbriefe über teure Kartoffeln klagen, weißt man darauf hin, wie billig doch die Plasmafernseher geworden sind. Vor allem bei dem Elektronikmarkt, der regelmäßig Werbebeilagen bezahlt.

Die Presse bezeichnet sich gerne mal als Anwältin des “kleinen Mannes”. Aber gerade der “kleine Mann” braucht sich von der Presse nichts zu erhoffen. Wer nicht gerade persönlich einen Redakteur kennt, hat schneller vor einem Verwaltungsgericht Erfolg als bei der Lokalzeitung. Und glauben Sie ja nicht, daß 50 Jahre Abonnententreue noch etwas zählen - im Gegenteil, das weist Sie als kritiklosen Konsumenten aus, dem man alles vorsetzen kann.

Wirklich tätig - und sogar rabiat - wird die Journaille höchstens dann, wenn es um einen der ihren geht. Da kommt plötzlich eine Solidarität zum Vorschein, da wird die Pressefreiheit als höchst schützenswertes Gut dargestellt - um dann, wenn die Schlacht geschlagen ist, wieder ganz brav zum Einheitsbrei zurückzukehren. Und natürlich zum Wohlverhalten gegenüber den Mächtigen, um die nicht weiter zu provozieren.

Hausdurchsuchungen und behördliche Übergriffe beim Bürger interessieren keinen Reporter. Erst wenn es eine Zeitung betrifft, wird kollektiv aufgeschrieen. Unberechtigte Verurteilung und Freilassung eines Unschuldigen nach fünf Jahren ist der Zeitung bestenfalls einen drei Zentimeter hohen Einspalter wert, aber wenn ein Kollege eine Stunde in Untersuchungshaft sitzen mußte, sind die Freiheit und die Demokratie des Landes auf der Titelseite bedroht.

Oppositionsblätter mit einer abweichenden Meinung muß man intensiv suchen (zum Beispiel auf meiner Linkseite). Die großen Zeitungen sind sich in der Tendenzberichterstattung einig. Da steht gerne “Unruhen bei NPD-Kundgebung” als fette Überschrift. In der Unterüberschrift oder im fett gedruckten Eingangsabsatz erfährt der Leser, wann und wo diese Kundgebung stattgefunden hat, daß 500 Polizisten eingesetzt waren, es 38 Verletzte gegeben hätte und 19 Festnahmen. So eine böse NPD aber auch!

Der flüchtige Leser nickt, findet jene Meinung bestätigt, die ihm die Medien eingetrichtert haben und blättert weiter. Nur wenn man sich der Mühe unterzieht, den ganzen Artikel zu lesen, erfährt man, daß 300 NPD-Sympathisanten von 500 Polizisten vor 5.000 steinewerfenden zukünftigen Außenministern beschützt werden mußten, die nicht etwa aus politischen Gründen angereist sind, sondern um sich unter dem Beifall der Presse mit den Polizisten zu prügeln.

Wie subtil Pressearbeit sein kann, sieht man in Würzburg, einer Stadt, von der ab 1942 die Züge in die Vernichtungslager ins besetzte Polen abgingen, wenn über den maroden Bahnhof berichtet wird und das Bauvorhaben der Frau Dr. Oberbürgermeisterin.

Sie kennen solche Nebensätze bestimmt, die kleinen Verweise, die untergebracht werden, obwohl sie mit der eigentlichen Meldung nichts zu tun haben. In Würzburg wurden die “Frankenapostel” Kilian, Kolonat und Totnan ermordet, hier fand die Hochzeit Kaiser Barbarossas statt, die Schweden haben die Stadt im 30jährigen Krieg erobert, 1814 kam sie endgültig zu Bayern und 1945 wurde sie in den letzten Kriegstagen völlig sinnlos zerstört. Das alles hat mit dem baufälligen Bahnhof absolut nichts zu tun, aber nur die Züge von 1942, die ebenfalls nicht hineingehören, werden in diese Meldung eingeflochten.

Im Prinzip ist das nichts anderes als die Parole “Die Juden sind unser Unglück!”, nur eben subtiler, oder, auf gut bayrisch, hinterfotziger. Hier soll ein bestimmtes Weltbild gestützt werden, und dazu eignen sich Nebensätze hervorragend. Gefördert wird damit eine Ausrichtung des Denkens, eine permanente Gehirnwäsche. Auf diese Weise wird die Presse, die eigentlich der Information dienen sollte, zum Indoktrinationsinstrument.

Eine wirkliche freie Presse, welche die gesamte Meinungsvielfalt abdeckte, gab es in Deutschland bis in die Zwanziger Jahre. 1933 gab man offen zu, sich durch staatliche Eingriffe von der “verjudeten” Presse befreien zu wollen. Nach 1945 wurden Zeitungslizenzen nur an ausgewählte Personen vergeben; in der sowjetisch besetzten Zone wurden ganz offen staatlich kontrollierte Zeitungen eingeführt, in den drei Westzonen begnügte man sich damit, nur “verläßlichen” Privatleuten zu gestatten, eine Zeitung herauszugeben. Schon damals wurde gefiltert, was gedruckt wurde, und sorgfältig ausgewählt, wer für eine Zeitung arbeiten durfte.

Diese Schere im Kopf wird auch heute noch eingesetzt. Abweichende Meinungen finden keinen Niederschlag, auch wenn die Presselizenzen nicht mehr von den Kommissaren der Besatzungsmächte vergeben werden. Sie können jederzeit eine Zeitung gründen. Da sind Sie dann erst einmal ein Konkurrent für die etablierten Blätter. Sie müssen am Kiosk und im Supermarkt präsent werden, Sie müssen Anzeigekunden gewinnen. Wenn Sie dann auch noch eine abweichende Meinung veröffentlichen, wirft man Ihnen von allen Seiten Knüppel zwischen die Beine. Und Ihre lieben Kollegen stört es nicht, wenn Ihre “rechtsradikale Postille” Besuch von der Staatsmacht bekommt, denn Sie sind nicht etabliert, Sie gehören nicht dazu, also fällt man lieber über Sie her, ehe man die Beute Leser teilen muß.

Wenn eine etablierte Zeitung unter einem neuen Eigentümer ihren Kurs wechselt, löst das allgemeine Empörung aus. Da hacken die Kollegen auf Sie ein, schon allein, um Ihnen Marktanteile abzujagen. Und natürlich bietet man Ihren “anständigen” Mitarbeitern eine neue Wirkungsstätte.

Eine moderne Zeitung bleibt solange kaisertreu, bis die Republik ausgerufen wird. Dann sind alle Redakteure überzeugte Republikaner. Kommt es zu einer Diktatur, geht die Zeitung schnell auf Regierungslinie. Eine Revolution wird bekämpft, bis sie gewonnen hat, ab dann ist die Zeitung revolutionär. Und sollte das Kaiserreich wieder erstehen, besinnt sich die Zeitung auf ihre monarchistische Tradition, von der sie sich in der jetzt gültigen Wahrheit nie entfernt hatte.

Eine große Zeitung versteht sich als staatstragendes Organ. Die Zeitung wird den Staat niemals bekämpfen und wer für sie arbeitet, muß die staatliche Propaganda verbreiten, auch wenn sie “Regierungsbulletin” genannt wird. Mehr Abweichlertum als hin und wieder ein kleiner Kommentar, ein Nebensatz, ein wenig Inhalt zwischen den Zeilen ist nicht möglich. Die Aufgabe der Presse ist nicht die Meinungsbildung, sondern die Meinungsverbreitung - und ja, auch die Meinungslenkung.

Ein etabliertes Blatt druckt die Ansichten der Etablierten ab. In einem Staat, in dem es nur Parteien der Mitte gibt und alles, was nicht dazu gehört, zu Feinden der Demokratie gestempelt wird, muß die Presse nicht gleichgeschaltet werden, sie formt sich ganz von selbst zum Meinungskartell. Die Freiheit der Presse beschränkt sich auf die Wahl der Worte, mit der die Regierungspolitik als die ideale Lösung dargestellt wird.

Heute besteht Regierungskunst darin, die Dauerkrise solange auszusitzen, bis sie ein Nachfolger erbt, der dann hoffentlich daran scheitert. Eine Besserung ist nicht in Sicht, nur ein Zusammenbruch. Genau in diesem Zusammenbruch liegt jedoch die Chance, denn er fegt diese Regierungen hinweg, ersetzt sie durch Leute, die anpacken und die Probleme lösen müssenDer ach so bewunderte Journalist ist nicht mehr als ein kleines Rädchen im Getriebe der Meinungsmaschinerie, jederzeit austauschbar, fast immer namenlos. Aufklärung und Tapferkeit werden in diesem Beruf so wenig belohnt, wie eigene Vorstellungen auf der Ruderbank einer Galeere. Nur in den kurzen Zeiten des Übergangs werden diese Leute von der Leine gelassen und dann in die Hand beißen, aus der sie bislang schwanzwedelnd die Belohnungen empfangen haben.

Kein Reporter im sowjetischen Machtbereich durfte den großen Genossen Stalin kritisieren, solange dieser noch der große Genosse gewesen ist. Erst nach seinem Tod, im Rahmen der Entstalinisierung, schrieben jene, die ihn zuvor in den Himmel gehoben hatten, alle Flüche der Hölle auf ihn herab. Dieselben Journalisten, die heute der Regierung zu Füßen liegen, werden sich in eine blutgierige Meute verwandeln, wenn das heutige Regierungssystem stürzt.

Ja, wir haben in diesem Land eine freie Presse - eine völlig freie Presse - frei von jeglichem Rückgrat.


Quelle: Michael Winkler
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In einer Zeit des Universalbetruges ist die Wahrheit zu sagen eine revolutionäre Tat (George Orwell)
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