www.meidling-forum.at Foren-Übersicht www.meidling-forum.at

 
 FAQFAQ   SuchenSuchen   MitgliederlisteMitgliederliste   BenutzergruppenBenutzergruppen   RegistrierenRegistrieren 
 ProfilProfil   Einloggen, um private Nachrichten zu lesenEinloggen, um private Nachrichten zu lesen   LoginLogin 

Das 21. Jahrhundert

 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen    www.meidling-forum.at Foren-Übersicht -> KOMMENTARE, FEUILLETONS
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
Störtebeker



Anmeldungsdatum: 14.05.2006
Beiträge: 1256

BeitragVerfasst am: Mi Jul 11, 2007 9:47 am    Titel: Das 21. Jahrhundert Antworten mit Zitat

Wir befinden uns im Hans-Dominik-Gymnasium, in einer süddeutschen Kleinstadt. Seit der Schulreform von 2087, bei der die süddeutschen Reichslande die Mitteldeutschen im Bundesrat auf ihre Seite ziehen konnten, sind die weiterführenden Mittelschulen wieder mit den Oberschulen zu Gymnasien vereinigt. Konservative Kreise hatten sogar die alten lateinischen Klassenbezeichnungen wieder eingeführt.

Die vier Klassen der früheren Mittelschule heißen jetzt Sexta, Quinta, Quarta und Tertia. Die einstige abschließende Mittelschule heißt Volksschule, ihre besten Absolventen besuchen danach eine Obertertia, um den Übertritt ins Gymnasium zu schaffen. Die Mehrzahl hingegen nimmt eine Berufsausbildung auf und besucht nebenher die Berufsschule.

Tiefgreifender war die Organisation der Oberschule. Die Sekunda und die Prima dauern jeweils zwei Jahre. In den Hauptfächern - Deutsch, Mathematik, Technologie, Chinesisch und Sport, sowie zwei Schwerpunktfächern - gilt die Einteilung in Unter- und Obersekunda, bzw. -prima. In den anderen Fächern gibt es Kurse, die im Zwei-Jahres-Turnus angeboten werden. So können auch kleinere Gymnasien eine breite Fächerauswahl anbieten.

Das Schulsystem des Deutschen Reiches wurde bereits 2092 vom Indo-Arischen Imperium übernommen. Die beiden anderen Weltmächte, das großrussische Zarenreich und die chinesische Föderation, hatten andere Wege beschritten. China, das formal noch dem Kommunismus anhing, setzt auf eine zehnklassige allgemeine Gesamtschule, die allerdings durch eine interne Einteilung jedes Faches in drei Leistungsgruppen gnadenlos selektiert. Rußland hatte zunächst das deutsche System übernommen, war jedoch mit der Festigung der Zarenherrschaft zu einem elitären Schulsystem zu Gunsten der Oberschicht zurückgekehrt.

Dr. Eßl, der Geschichtslehrer der Sekunda, hatte im Januar dieses Jahres 2101 an seine Schüler eine Projektarbeit ausgegeben. Vier Arbeitsgruppen sollten sich jeweils eines der letzten Jahrhunderte vornehmen und ihre Erkenntnisse der Klasse vortragen. Heute war die letzte Gruppe an der Reihe, mit dem 21. Jahrhundert. Die Schüler hatten eine Projektmappe erstellt, die Dr. Eßl bereits korrigiert und ergänzt hatte. Am Ende des Vortrags würde sich jeder Schüler diese Mappe ausdrucken, zusammen mit den Anmerkungen und Ergänzungen, die er während des Vortrags anfügte. Aus beidem - Mappe und Vortrag - würde Dr. Eßl die Quartalsnote ermitteln.

Dr. Eßl beschränkte sich auf das nötigste. “Unser heutiges Thema ist das 21. Jahrhundert, wir hören das letzte Quartalsprojekt. Wer von euch möchte beginnen?” Das Sie gegenüber den Schülern war schon 2021 aus den Schulordnungen gestrichen worden. Die Schüler wurden allesamt geduzt und mit Vornamen angesprochen.

Das dunkle Imperium

Ferdinand erhob sich und trat an das Vortragspult. Der hochgewachsene Schüler verkörperte die Hoffnung des Hans-Dominik-Gymnasiums bei den bevorstehenden Reichsjugendspielen. Letztes Jahr hatte er mit einem vierten Platz bei den Bezirksausscheidungen die Teilnahme an den Landesmeisterschaften knapp verpaßt, dieses Jahr hoffte die Schule, daß er es bis zum Reichssportfest schaffen würde.

Ferdinand legte seinen Zeigefinger auf das Identifizierungsfeld. Dadurch erschien auf dem Bildschirm seine persönliche Arbeitsumgebung und er erhielt den vollständigen Zugriff auf seine Unterrichtsdaten. Eine kurze Bewegung mit dem Stift und er hatte eine Weltkarte auf den Großbildschirm an der Wand projiziert.

“Das hier ist die politische Weltkarte am Anfang des 21. Jahrhunderts”, begann Ferdinand seinen Vortrag. “Das wichtigste Land dieser Zeit ist das dunkle Imperium, die Vereinigten Staaten von Amerika.” Ein Tippen gegen die Arbeitsfläche ließ den Staat aufleuchten.

“Wir haben in den letzten Vorträgen gehört, wie dieser Staat im 18. Jahrhundert die eingeborene Bevölkerung Nordamerikas ausgerottet hat. Im 19. Jahrhundert wurde die innere Freiheit durch die Truppen der industrialisierten Nordgebiete ausgelöscht. Im 20. Jahrhundert trieben die VSA die Staaten der Welt in zwei große Kriege gegen das Deutsche Reich, was dazu führte, daß unser Vaterland ein Vasallenstaat der VSA geworden sind.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts schien das Dunkle Imperium auf dem Höhepunkt seiner Macht zu stehen. Die Sowjetunion hatte das Erbe des Zarenreiches nicht halten können und sich aufgelöst. Durch das Interregnum war Rußland geschwächt und die VSA wurden als ‘einzig verbliebene Supermacht’ bezeichnet. Nicht nur Deutschland, sondern auch viele andere Staaten waren damals Vasallen der VSA.”

Ferdinand ließ fast ganz Europa aufleuchten, außerdem die Türkei, Israel, Ägypten, Saudi-Arabien, Kuwait, Japan und Australien. “Schon vor dem großen Krieg haben die VSA den damaligen Irak und Afghanistan militärisch besetzt. Außerdem standen ihre Truppen in zahlreichen weiteren Ländern.” Auch diese Staaten wurden markiert. “Das entscheidende Machtmittel war jedoch das Geld, mit dem sie die ganze Welt kontrollierten.”

Dr. Eßl stellte eine Zwischenfrage: “Auf welche Weise kann man andere Staaten oder gar die ganze Welt mit Geld kontrollieren? Und warum kann das Reich diese Kontrolle nicht ausüben?”

Ferdinand suchte in seinen Daten und holte eine Dollarnote auf den Großbildschirm. “Damals diente das hier als Geld. Im Gegensatz zu den Reichsbanknoten war dieses Geld nicht mit Gold unterlegt, es wurde ohne jegliche Deckung gedruckt. Die Truppen der VSA haben dafür gesorgt, daß Gold nicht mehr der Wertmaßstab der Welt gewesen war, sondern nur nicht das von den VSA bedruckte Papier. Sie haben ihre Macht ausgenutzt und damit die Welt versklavt.

Bis ins ausgehende 19. Jahrhundert haben die VSA Schwarze ins Land geholt, um sie dort ohne Bezahlung als Sklaven arbeiten zu lassen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hatten die VSA die ganze Welt versklavt, weil sie die Arbeit der gesamten Welt mit wertlosem, bedruckten Papier bezahlt haben, also ohne einen wirklichen Gegenwert zu bieten. Das Deutsche Reich und die gesamte heutige Welt bezahlen mit Gold. Jeder Staat muß deshalb dafür sorgen, daß er den anderen Staaten Waren und Dienstleistungen anbieten kann, um damit Gold zu erwirtschaften, um seinerseits Waren und Dienstleistungen bezahlen zu können.”

Dr. Eßl nickte wohlwollend.

“Das Dunkle Imperium hatte sich jedoch übernommen. Man kann eine Anzahl Menschen versklaven, sogar über Generationen hinweg, aber eben nicht die ganze Welt. Die VSA waren ein rassistischer Staat, der zwar nach außen hin verkündete, alle Menschen seien gleich, doch sogar im eigenen Land gab es gewaltige Unterschiede. Es gab einen Geldadel aus schwerreichen jüdischen Bankiersfamilien und alteingesessenen ehemaligen Engländern. Die sonstigen europäischen Einwanderer bildeten eine Art Mittelschicht, die Schwarzen, Gelben und Latinos die Unterschicht. Ja, es gab auch unter diesen Gruppen Millionäre, doch diese wurden herausgestellt, um etwas vorzuführen, das es nicht wirklich gegeben hat: die Gleichheit der Menschen.”

Ferdinand überlegte, ob er noch etwas vergessen hatte. Michael, der auch zu seiner Gruppe gehörte, kritzelte auf seinen Bildschirm ein Stichwort und schickte das auf Ferdinands Rechner. Das Recht dazu hatte er, weil er für Geschichte zur gleichen Gruppe gehörte und deshalb einen Nachrichtenzugang bekommen hatte. Ferdinand lächelte dankbar.

“Das Dunkle Imperium war alles in allem der komplette Gegenentwurf des Deutschen Reiches. Durch seine Kriege gegen Deutschland hat es das heutige Reich um hundert Jahre hinausgezögert und uns dadurch dazu gezwungen, den Aufbau des Reiches besser zu durchdenken und um so vollkommener zu gestalten. Dieses Reich verkörperte den Mephistopheles, die Macht, die auf Zeit das Böse in die Welt brachte, um schließlich doch das Gute zu schaffen.”

Ferdinand holte wieder die Weltkarte auf den Bildschirm. Er schaute Dr. Eßl erwartungsvoll an, doch der Lehrer hatte keine Fragen. Folglich meldete er sich am Lehrerpult ab und übergab an den nächsten Vortragenden seiner Gruppe.

Krieg!

Gottlieb ging an das Lehrerpult und meldete sich an. “Das Geld hatte die Macht der VSA über die ganze Welt ausgedehnt und dieses Geld brachte sie schließlich zu Fall. Da es so einfach war, die Güter der Welt für dieses grüne Papier einzutauschen, haben immer mehr Leute aufgehört zu arbeiten. Es gibt Parallelen zum Römischen Reich - Teile der Bevölkerung lebten von Panem et Circenses, nur noch Angehörige der Unterschicht gingen zum Militär, außerdem hat man immer mehr Söldnertruppen angeworben und die Truppen der Vasallenstaaten in die Kriegsgebiete geschickt.”

Gottlieb war der Computerkünstler der Klasse. Er hatte eine Ausnahmegenehmigung vom Jugendamt erhalten und arbeitete bereits zwei Stunden am Tag für eine Firma in Berlin. Seine Animation zeigte 16 altertümliche Fernsehapparate, auf denen Standbilder alter Filme gezeigt wurden. Dann erschien in der Mitte des Bildes eine Umrißkarte des damaligen Deutschlands und Pfeile wanderten über die Weltkarte, die zeigten, wo überall damals deutsche Truppen für die VSA eingesetzt worden waren. In der letzten Einstellung wurden auch die anderen Länder gezeigt, mit einem unübersichtlichen Geflecht von Pfeilen, die deren Hilfstruppeneinsätze darstellten.

“Schließlich besaßen die Völker der Welt soviel von jenem grünen Papier, daß sie sogar gegen die VSA damit vorgehen konnten. Dabei handelte es sich nicht mehr um unterworfene Vasallenstaaten wie die Besatzungs-BRD und Japan, sondern China und Rußland, die nächstmächtigeren Staaten. Die Wirtschaft der VSA geriet in die Defensive und die Antwort des Dunklen Imperiums hieß Krieg.”

Gottlieb zeigte eine Karte des nahen Ostens, mit den Städten Jerusalem, Mekka und Medina darauf. “Der heute als solcher bezeichnete Dritte Weltkrieg begann mit dem Semitischen Bruderkrieg. Die Juden haben mit der Rückendeckung der VSA ihre arabischen Brüder angegriffen. Der Einfall in Syrien riß deren Verbündete im damaligen Persien in den Krieg. Die VSA haben sofort ihren Verbündeten geholfen und ihrerseits Persien angegriffen. Sie hatten gehofft, durch den sofortigen Einsatz von Atomwaffen der gesamten Welt einen Schock zu versetzen und in dessen Gefolge eine Währungsreform durchführen zu können, welche die alten Dollars vollkommen entwertete und durch ein neues, nur noch elektronisch vorhandenes Geld zu ersetzen.”

Auf dem Großbildschirm explodierten Atombomben. “Allerdings hatten die Perser sich darauf vorbereitet, es erfolgte ein Gegenschlag.” In einem Viertel des Bildschirms erschien ein Flugzeugträger, der die Flagge des Dunklen Imperiums führte und durch einen Feuerball zerstört wurde. Außerdem explodierte eine Atombombe in Israel.

“Ja, die Welt hatte einen Schock erlitten, aber die VSA standen unter einem weitaus größeren Schock. Sie haben ihre Flotte im Persischen Golf verloren. Der Krieg der Armeen wurde unterbrochen, doch die Kämpfe an den inneren Fronten brachen jetzt erst aus. Innerhalb weniger Wochen wurden die VSA-hörigen Regierungen in den arabischen Staaten verjagt. Die Juden, die sich mit ihren semitischen Brüdern völlig verfeindet hatten, sahen sich rundum von islamischen Staaten bedroht. Der Nachschub aus den VSA, auf den sie dringend angewiesen waren, floß nur spärlich, weil die VSA ihre eigenen Truppen versorgen mußten, die in schwere Kämpfe verwickelt waren. Um die sich abzeichnende Niederlage abzuwenden, haben die Juden eine Atombombe auf Medina geworfen und gedroht, auch Mekka zu vernichten.”

Wieder explodierte eine Atombombe auf dem Hauptbildschirm. Dieser teilte sich und zeigte jetzt die die VSA und den nahen Osten. “Arabische Terroristen haben Tage später ausgeglichen und Neu York zerstört, eine Stadt, in der besonders viele amerikanische Juden gelebt haben. Dies wäre die letzte Gelegenheit gewesen, den Semitischen Bruderkrieg zu beenden und vielleicht sogar den Weltkrieg zu verhindern. Die VSA hätten ihre Weltmacht aufgeben und sich erneuern müssen. Sie hätten die Friedenskonferenz von Belgrad ernsthaft angehen müssen, statt dessen haben sie da für einen Eklat gesorgt.”

Auf dem Hauptbildschirm erschien ein Konferenzsaal, bei dem zwei Männer sich an einen Dritten anschlichen, um überraschend einen Dolch zu ziehen und diesen niederzustechen. Gottlieb holte die Gesichter groß auf den Bildschirm. “Das Opfer ist Georg Bush der Jüngere, die beiden Täter sehen arabisch aus, doch heute wissen wir, daß sie von Israel bezahlt worden sind.”

Auf dem Bildschirm erschienen die VSA, mit einer Ausschnittsvergrößerung, bei der eine Rakete abgefeuert wurde. Diese Rakete flog in einem eigenen Bildschirmfeld über die Weltkarte und schlug schließlich in Mekka ein. “Die VSA haben sich als eine christliche Nation verstanden, aber sie waren immer nur auf Rache, Vergeltung und Zerstörung aus. Ihre Bombenflugzeuge haben schon im Zweiten Weltkrieg wahllos Frauen und Kinder getötet, jetzt haben sie Mekka, die heiligste Stadt des Islam vernichtet. Die Juden hatten keine Wasserstoffbombe gehabt, die garantierte, die Kaaba restlos zu zerstören, deshalb mußten die VSA dies übernehmen.”

Gottlieb spielte einen Zusammenschnitt von feuernden Kanonen, angreifenden Panzern und Flugzeugen ein, zeigte brennende Häuser und sterbende Soldaten, doch alles nur kurz, in verwirrend schneller Abfolge. Der Nahe Osten färbte sich blutrot. “Der Semitische Bruderkrieg entbrannte mit vernichtender Wut. Landstriche wurden verheert, Millionen Menschen getötet. Die Araber wollten in ihrer Wut nicht nachgeben und die Juden haben sich mit allem gewehrt, was sie an Waffen zur Verfügung hatten.

Doch das war nur der erste Schauplatz. Die Versorgungsschwierigkeiten haben die Menschen in Europa auf die Straßen getrieben. VSA-hörige Regierungen wurden hinweggefegt, die unwürdigen Volksvertreter wurden an den Laternen aufgehängt. Selbst in Deutschland brach schließlich die Revolution aus. Aber nicht nur dort, auch in den VSA selbst kam es zu Aufständen. Dort war man vorbereitet und schoß sofort auf die eigene Bevölkerung, walzte sie Panzern nieder, bombardierte ihre Häuser. Die Oberschicht kämpfte um ihr Überleben und hetzte ihre Sklavenaufseher gegen ihre Sklaven.

Und jetzt, jetzt begann der Weltkrieg! China und Rußland hatten sich entschlossen, das Dunkle Imperium auszulöschen und der Welt eine neue, bessere Ordnung zu geben. Die Chinesen sind in den VSA eingefallen, die Russen in Europa.” Auf der Weltkarte erschienen die Stoßrichtungen der einzelnen Armeen.

“Es gab in Europa keinen nennenswerten Widerstand. Eine Verteidigung war nicht möglich, hatte man doch die besten Soldaten und die beste Ausrüstung für die Hilfstruppen der VSA hergegeben. Zuerst schalteten die Russen die Luftverteidigung aus, dann landeten sie Fallschirmjäger an strategischen Punkten, zu denen die Panzerspitzen vorstießen. Die russische Front rollte mit 25 km/h nach Westen, schaffte 500 Kilometer pro Tag. Wo immer sich Widerstand formierte, schlug die Luftwaffe zu und die Bodentruppen überrannten sie mit geringen Verlusten. Die Russen kümmerten sich nicht um den Aufbau einer Verwaltung, sondern stießen nur durch bis zum Rhein, an dessen linken Ufer deutsche und französische Truppen eine letzte Widerstandslinie aufgebaut hatten.”

Gottlieb ließ die Russen an den Rhein marschieren, zeigte ihre drei Stoßkeile durch Deutschland, die Flügeloperationen nach Skandinavien und den Balkan. Er blendete um nach Nordamerika und zeigte den Vorstoß der Chinesen.

“Der Sprung über den Pazifik kostete die Chinesen große Verluste. In Alaska konnten sie sich schnell festsetzen, doch die Reste der amerikanischen Pazifikflotte mußten sie niederkämpfen. Die VSA haben einen Atomschlag gegen China ausgeführt, den die Chinesen beantwortet haben. Damals versanken Teile der amerikanischen Westküste, vor allem die Stadt Los Angeles.” Gottlieb unterlegte das noch mit einigen Filmsequenzen, dann schloß er. “Das Ende des Krieges behandelt der nächste Vortrag.”

Dr. Eßl nickte. “Danke, Gottlieb. Bei all den schönen Bildern, mit denen du uns erfreut hast, hast du jedoch die Jahreszahlen vergessen. Gut, wir kennen sie alle, aber das hat noch gefehlt. Ansonsten hat mir das gut gefallen.”

Katastrophen

Jetzt trat Hermann ans Pult. Seinen Eltern gehörte ein großer Bauernhof 18 km vor der kleinen Stadt. Er wohnte deshalb in einem kirchlichen Schülerheim, ganz nach dem Geschmack seiner streng katholischen Eltern.

“Eines der großartigsten Zeichen Seiner Allmacht, das uns der Herr, unser Gott, gegeben hat, war die Zerstörung des prophetenmordenden Jerusalems, der Hinrichtungsstätte von Jesus Christus, unserem Herrn. Es waren die von Gott wegen ihres Unglaubens verstoßenen Juden selbst, welche diese Stadt in blinder Raserei zerstörten und so das Symbol des Satans vom Angesicht der Erde tilgten. Damit begann das göttliche Strafgericht über die sündige Welt, die Reinigung der Erde…”

“Hermann!”, unterbrach Dr. Eßl streng. “Dies ist eine Geschichtsstunde, kein religiöses Exerzitium!”

“Die Geschichte ist die Manifestation des göttlichen Willens!”, verteidigte sich der Schüler.

“Richtig, aber bescheide dich damit, diese Manifestationen aufzuzählen und nicht, Seinen unergründlichen Willen für uns zu interpretieren.”

Hermann projizierte als stummen Protest ein Kreuz im Strahlenkranz auf den Großbildschirm. Die alte Papstkirche hatte an dieses Kreuz den Leichnam des leidenden, sterbenden Menschensohnes gehängt, die neue nun wirklich katholische Kirche zeigte das leere Kreuz des Erlösers, der den Tod besiegt hatte. Als erfahrener Pädagoge ging Dr. Eßl nicht darauf ein, sondern wartete die halbe Minute, bis Hermann sich von allein beruhigte.

Hermann kehrte schließlich zum Thema zurück. “An dem Tag, als Jerusalem vernichtet wurde, sammelten sich die russischen Truppen am rechten Rheinufer zu ihrer ersten richtigen Schlacht auf diesem Feldzug. Die Chinesen hatten die Verteidigungslinien im amerikanischen Felsengebirge durchbrochen. Während einige Verbände die eingekesselten Reste des VSA-Heimatheeres aufrieben, sammelte sich die Hauptmacht der Angreifer, um in den mittleren Westen vorzudringen, der Kornkammer der VSA. Zu diesem Zeitpunkt stand am Himmel bereits der Hammer Gottes.”

Jetzt verschwand das Kreuz und wurde durch einen düsterroten Asteroiden ersetzt, der die Größe des Vollmondes besaß. “Die Gelehrten hatten errechnet, daß dieser Körper nahe an der Erde vorbeiziehen würde, ohne Schaden anzurichten. Aber wann hat jemals der beschränkte menschliche Geist Gottes Ratschluß erfaßt?”

Ein unwilliges Brummen ertönte aus der Klasse. Dr. Eßl hatte nicht genau darauf geachtet, aber er vermutete, daß Michael gebrummt hatte und jetzt Hermann einen Ordnungsruf auf den Rechner schickte. Herman wurde rot und brachte ein anderes Bild auf den Hauptschirm.

“Niemand hatte beachtet, daß der Asteroid auf seiner Bahn die Roche-Grenze überschritt und deshalb von den Gezeitenkräften zerrissen wurde. Das größte Bruchstück schlug in der Nähe des mittelamerikanischen Landrückens ein. Er zerschlug die Landbrücke von Panama und trennte so Nord- und Südamerika für immer. Er löste eine Tsunami aus, die sämtliche Atlantik-Küsten in Mitleidenschaft gezogen hat.”

Der animierte Einschlag zeigte eindeutig die Handschrift Gottliebs, aber die gegenseitige Hilfe war eines der Unterrichtsziele der Gruppenprojekte, deshalb erhob Dr. Eßl dagegen keine Einwände. Die Gruppe sollte selbst regeln, ob sie Mitglieder als Drohnen mitschleppen wollte.

“Im Ersten Weltkrieg hatten die Deutschen gebetet: ‘Gott strafe England!’. Jetzt, im Dritten Weltkrieg, wurden ihre Bitten erhört. Ein Bruchstück des großen Himmelskörpers schlug in der Nordsee ein, vor London. Er tilgte Ostengland vom Antlitz der Erde und löste eine Flutwelle aus, die vor allen die lutherischen Gebiete an der Nordsee schwer getroffen hat. Ein weiterer schwerer Einschlag betraf Prag, jene Stadt, in welcher der Dreißigjährige Krieg begonnen wurde, in dem das alte, heilige und katholische Reich verwüstet wurde.”

Diesmal bemerkte Dr. Eßl, wie Michael die Augen verdrehte und an seinem Rechner hantierte. Der Lehrer verkniff sich einen Zwischenruf, denn es gehörte ebenfalls zur Erziehung, die Probleme in der Gruppe selbst zu regeln.

“Die Einschläge lösten weltweit Katastrophen aus. Große Teile Japans versanken im Meer, im Nordatlantik hob sich neues Land aus dem Meer. Fast jeder Vulkan der Erde brach aus und schleuderte giftige Gase und Staub in die Luft. Die Sonne verfinsterte sich für drei Tage, wie es die Bibel vorausgesagt hatte. In diesen Tagen starben mehr Menschen als in allen Kriegen zuvor. Durch die Einschläge wurde den russischen Truppen der Nachschub abgeschnitten. Viele von ihnen starben in ihren Feldlagern. Die Führung der Truppen versagte.

Die deutschen und französischen Truppen überstanden die Finsternis besser. Sie haben den Rhein überschritten und die Russen aus Deutschland vertrieben. Ja, sie stießen weit nach Osten vor, beendeten das Interregnum. Rußland bat das neue Reich um einen Generalgouverneur…” Hermann unterbrach sich und warf Michael einen entschuldigen Blick zu.

Er holte einen neuen Filmabschnitt auf den Schirm. Er zeigte die Erde als Ganzes, insbesondere den Nordpol und den Nordatlantik. Jetzt schwebte der rote Asteroid ein und Hermann kommentierte die Ereignisse. “Der Hammer Gottes explodierte über der westlichen Hemisphäre der Nordhalbkugel. Seine Bruchstücke trafen streifend auf und lösten einen Effekt aus, mit dem niemand gerechnet hatte.”

Die Erdkruste wurde transparent und das Erdinnere wurde als Gitterkugel dargestellt, mit massiven Erdachsen. “Auf dem zähflüssigen Erdmantel schwimmt die Erdkruste nur locker auf. Die streifenden Erschütterungen führten dazu, daß sich die Erdkruste gegen das Erdinnere verschob. Es dauerte mehrere Jahre, bis dieser Vorgang abgeschlossen war. Dabei zeigte sich einmal mehr das segensreiche Wirken des Herrn, unseres Gottes. Dort, wo einst Jerusalem, die Stadt des Satans gelegen hatte, befindet sich heute das heilige Würzburg, die feste Burg des katholischen Glaubens und unserer neuen Kirche.”

Die Animation zeigte diese Verschiebung. Auf der neuen Erdkarte wurde deckungsgleich die alte projiziert, mit gleichem Nordpol. Sie zeigte eindeutig, daß Würzburg das neue Jerusalem geworden war. Damit hatte Hermann seinen Vortrag abgeschlossen.

Die neue Welt

Diesen Teil hatte Michael für sich selbst reserviert. Er war ein Spätzünder, der erst in der Volksschule gute Leistungen gezeigt hatte. Als bester Schüler der Obertertia hatte er ein kleines Stipendium errungen, das ihm zwar kein Geld auszahlte, ihm aber 60 Goldmark für den Erwerb von Fachbüchern bescherte. Es gab mehrere solche Förderpreise, die das Reich auslobte, um die besten Köpfe zu inspirieren.

Michael war der älteste der Sekundaner, deshalb wirkte er vernünftiger als seine Mitschüler. Der Seiteneinstieg über die Obertertia hatte ihm zudem einen weiteren Erfahrungshorizont verschafft als den reinen Gymnasiasten.

“Die alte Welt lag nach Krieg und Katastrophen in Trümmern, Milliarden Menschen waren gestorben. Die Überlebenden litten Hunger und mußten ihr Leben neu aufbauen. Überall auf der Welt, nur Afrika und Australien waren weitgehend verschont geblieben. Die semitischen Völker hatten sich gegenseitig ausgelöscht, die VSA und China haben sich wechselseitig die großen Städte zerstört. Indien litt schwer unter der atomaren Verseuchung, die aus Persien herübergedrungen war, Rußland unter den Folgen des Staubeintrags durch den Impakt bei Prag. In Südamerika hatten die Fluten des Atlantiks ganze Länder verwüstet.

Alle Völker der Erde mußten neu beginnen. Doch Deutschland hatte zwei Vorteile: Zum einen wurde hier der erste Kaiser der Neuzeit gekrönt. Damit bekam das neu entstehende Reich eine starke Führung. Zum anderen war Deutschland lange unterdrückt gewesen. Die Vasallenherrscher der VSA haben die kreativen Kräfte verschüttet und das Volk ausgebeutet. All dies wurde jetzt freigesetzt. Das neue Reich erhob sich unter den Völkern, erwählte das schwarze Kreuz des Auferstandenen mit der goldenen Aureole des Erlösers auf dem roten Grund der in Blut getauchten Welt zu seinem Banner.

Schon nach drei Jahren waren Hunger und Entbehrung im Reich zu Ende. Das Banner des Kaisers sammelte die Völker, der letzte Papst kehrte triumphal nach Rom zurück und weihte Italien dem Kaiser. Mit deutscher Hilfe bestieg ein zweiter Kaiser den Thron Frankreichs. Die Franzosen setzten sich in der Folgezeit in England fest, bis hinauf zum neuen Königreich Schottland. In Rußland herrschte wieder der Zar, der die Türken endgültig aus Konstantinopel vertrieb und so das Reich von Ostrom erneuerte. Indien und Persien schlossen sich zum Indo-Arischen Imperium zusammen, die chinesische Föderation bildete sich.

Während die anderen Reiche der Welt noch um ihr Überleben kämpften, baute das Deutsche Reich eine neue Zukunft auf. Das Dunkle Imperium hatte sehr vieles unterdrückt, was jetzt freigelegt wurde. Nicht mehr die zerstörerischen Energien der Explosionsmotoren trieben das neue Reich, sondern die Implosionsaggregate Viktor Schaubergers. Fehler und Irrtümer der alten Physik wurden beseitigt und brachten dem Reich neuen Wohlstand.

Die Sonne lieferte Energie, war doch das Reichsgebiet in den Süden gerückt. Doch noch war das Reich unvollständig, zu klein und in der Mittellage, die ihm so viel Ungemach beschert hatte.”

Jetzt projizierte auch Michael eine Karte an die Wand: Er zeigte die Lage in Europa im Jahr 2020. “Frankreich war im 20. Jahrhundert aus Afrika vertrieben worden, deshalb kehrte es jetzt nicht zurück, sondern siedelte seine Leute auf dem neu entstandenen Atlantis an, zusammen mit den überlebenden Spaniern. Das Großrussische Reich christianisierte die Türkei. Durch die Polverschiebung mußten die Russen Sibirien aufgeben. Auch die Chinesen mußten umsiedeln, in die neu eroberten Gebiete in Nordamerika. Das Dunkle Imperium war in mehrere Staaten zerfallen. Neben dem chinesischen Gebiet bildeten sich zwei indianische Staaten. Der Süden schloß sich an Groß-Mexiko an, nur an der Ostküste blieb eine englische Kultur erhalten. In dieses Gebiet siedelten viele Engländer, die sich mit der Herrschaft Frankreichs über England nicht abfinden wollten.

Das Reich hätte jetzt die Möglichkeit gehabt, seine Nachbarn zu bestrafen und jede angetane Schmach zu rächen. Doch anders als das Dunkle Imperium war das Reich nicht dem Alten Testament verpflichtet, sondern dem Christentum, der Heilslehre. Deshalb beschloß das Reich, sich des zerstörten Afrikas anzunehmen. 2021 wurde Karthago neu gegründet, die uralte Stadt, welche einst von den Römern zerstört worden war. Südlich von Karthago wurden große Solaranlagen installiert, es gab Energie im Überfluß. Die karthagische Provinz versorgte das Reich zuerst mit Wasserstoff, dann, als die Hochtemperatur-Supraleiter entwickelt wurden, direkt mit Energie.

Zum Ausgleich gab das Reich Nordafrika die Segnungen der Zivilisation: Neben dem katholischen Glauben Straßen, gesunde Städte, die Begrünung der Wüste. Zur Zeit der Römer war Karthago ein reiches, grünes Land gewesen, und unter der Herrschaft des Reiches ergrünte die Wüste erneut. Die Deutschen kamen nicht als Kolonialherren, dafür waren sie selbst zu lange unterdrückt gewesen. Sie kamen als Freunde, um Afrika aufzubauen, um seine Menschen als gleichwertig und Brüder zu behandeln.”

Der Deutsche Bund

Nach Michael trat Georg ans Pult. Georg war ein ernster junger Mann ohne jede Phantasie. Sein Vater war Regierungsdirektor bei der Stadtverwaltung und Dr. Eßl ging davon aus, daß auch Georg Jura studieren und Beamter werden würde.

“2028 kam es zu einem sehr wichtigen Ereignis”, begann Georg zögernd seinen Vortrag. “Der Wohlstand der deutschen Kolonie von Karthago veranlaßte vier arabische Staaten, um die Aufnahme als Kolonien des Deutschen Reiches zu bitten. Das Reich zögerte zunächst, half zwar beim Aufbau der Verwaltung, beließ den Ländern jedoch ihre Eigenständigkeit. Immerhin verschaffte sogar das den Ländern solche Vorteile, daß weitere Staaten diesen Antrag stellten.

Die Deutschen sind tüchtige Arbeiter, hervorragende Wissenschaftler und erstklassige Ingenieure, doch als Händler sind sie den Mauren unterlegen. Anfang 2034 stellte die Reichsregierung fest, daß sechs Beitrittskandidaten inzwischen die Goldmark als Währung eingeführt, die Reichsgesetze übernommen und ihr Schulsystem dem deutschen angepaßt hatten. Mit anderen Worten: sie hatten sich, von der formalen Zustimmung des Reiches abgesehen, selbst zu Kolonien gemacht.

Die Reichsregierung mußte dieses Problem lösen, doch wir sprechen von Deutschland, jenem Land, in dem mehr Regierungs- und Organisationsformen ausprobiert worden waren, als in jedem anderen Land der Erde. Die Reichsregierung wußte, daß ein koloniales Zweiklassen-System nur eine begrenzte Zeit stabil bleiben würde. Wie in einer Familie sich die kleinen Kinder der Weisheit ihrer Eltern unterordnen, als Erwachsene aber eigene, selbstbestimmte Wege gehen wollten, benötigte der Staat eine Organisation, die es den Kolonien erlaubte, im Schutz des Mutterlandes heranzureifen, dann aber an die Seite des Mutterlandes zu treten, als gleichberechtigte Glieder der Familie.

Die Lösung für das 21. Jahrhundert fand sich im 19. Jahrhundert: der Deutsche Bund lebte wieder auf. Am 1. Januar 2035 trat in Karthago das erste Mal der Bundesrat zusammen. Dort waren die alten Reichslande vertreten, aber auch Österreich und Italien, sowie die Kolonie von Karthago. Die erste Sitzung dauerte nur eine halbe Stunde, es wurde der einstimmige Beschluß gefaßt, sechs weitere Länder in den Deutschen Bund aufzunehmen.”

Georg projizierte die Länder des Deutschen Bundes von 2035 auf dem Schirm. Er zeigte die Flaggen der Länder, deren linkes oberes Viertel die neue Bundesflagge einnahm. Sie glich der Reichsflagge, bis auf den blutroten Hintergrund, der durch das Dunkelgrün der Hoffnung auf eine bessere Zukunft ersetzt worden war.

“Der Deutsche Bund hatte den neuen Äquator überschritten. Natürlich bürdete das vergrößerte Gebiet dem Reich neue Lasten auf, doch es erschloß sich damit auch neue Rohstoffquellen. Das Reich teilte mit den neuen Ländern, nahm ihre Kultur in sich auf, schenkte ihnen die deutsche Sprache und öffnete seine Hochschulen und Universitäten den Begabten aus allen Bundesländern. Das Modell des Deutschen Bundes bewährte sich!

2042 wurde der Bund erneut erweitert, Kamerun und Togo, die alten deutschen Kolonien, kehrten nach 125 Jahren ins Mutterland zurück. 2052 überschritt der Deutsche Bund den Äquator. Die anderen Länder der Erde hatten sich inzwischen ebenfalls von den Katastrophen und Kriegen erholt, aber das Deutsche Reich war ihnen weit davongeeilt. Diese Lektion mußte China 2054 lernen.”

Reichsbürger

Anton übernahm den letzten Teil des Vortrages. Er war die graue Maus der Klasse, unauffällig und angepaßt, fleißig, fügsam und leicht zu übersehen. Er begann mit einer Karte. “Dies hier war einst die belgische Kolonie Kongo, eines der rohstoffreichsten Gebiete Afrikas. Nach der Unabhängigkeit wurde das Land zum Spielball der Großmachtinteressen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts buhlten die VSA und China um die Schätze des Landes, mit bewaffneten Stellvertretern, die dort Krieg führten.

Nach dem Zusammenbruch hatte der Kongo eine ruhige Periode, doch das wiedererstarkende China wollte sich erneut die Rohstoffe des Landes sichern. 2052 wurde der Deutsche Bund bis an die Grenzen des Kongo erweitert. Längst war der Bund der wichtigste Handelspartner des Kongo geworden. Die Regierung hatte bereits damit begonnen, sich dem Deutschen Bund anzupassen.

China beschritt den alten Weg, mit ‘Befreiungsbewegungen’, die gegen die Regierung rebellierten und von China mit Waffen unterstützt wurden, gegen Lieferung von Rohstoffen.” Anton trug die chinesische Einflußzone im Kongo ein, außerdem die Lieferwege.

“2054 dehnten die ‘Befreiungsbewegungen’ ihre Operationen auf das Gebiet des Deutschen Bundes aus. Was im 20. Jahrhundert fast immer funktioniert hatte, mißglückte völlig gegen den Deutschen Bund. Der Bundesrat forderte Reichstruppen an. Die rechtmäßige Regierung des Kongo bat wenig später um Aufnahme in den Deutschen Bund, wodurch die Truppen auch in den Kongo einmarschieren konnten. Reichsmarine unterband den Nachschub über den indischen Ozean und bereitete sich darauf vor, mit einem kampfstarken Geschwader in den Pazifik einzulaufen.

Eine chinesische Flottille, die unter schwarzer Flagge fuhr, traf auf einen zahlenmäßig unterlegenen deutschen Verband. Das Gefecht dauerte keine 30 Minuten und endete mit der vollständigen Vernichtung der Angreifer.” Anton zeigte das Gefecht im Zeitraffer.

“Die Landoperationen waren 2055 abgeschlossen. Danach wurde der Kongo trotz heftiger chinesischer Proteste offiziell in den Deutschen Bund aufgenommen. Die Spannungen dauerten jedoch noch an. 2057 hißte Samoa die Flagge des Deutschen Bundes und verkündete, ab sofort wieder Deutsch-Samoa zu heißen. Das Reich gewährte die Aufnahme zwar erst 2061, doch es schickte sofort ein Geschwader der Reichsmarine, um die beigetretene Kolonie gegen Übergriffe zu schützen.

2058 brach der deutsch-chinesische Krieg aus. Die Kampfhandlungen beschränkten sich auf vier Seeschlachten, in denen die chinesische Flotte mit ihren veralteten Flugzeugträgern versenkt wurde. Auf Europa wurden 18 Atomraketen mit Mehrfachsprengköpfen abgefeuert, auf Afrika weitere acht. Die Raketenabwehr des Reiches konnte alle Sprengköpfe abfangen und oberhalb der Atmosphäre vernichten. Das Reich verzichtete darauf, China selbst anzugreifen, und bot Frieden ohne Vorbedingungen an, den die Chinesen nach kurzen Verhandlungen annahmen.

Der Krieg hatte jedoch eine Folge, mit der niemand gerechnet hatte: der Deutsche Bund hatte sich endgültig als Einheit etabliert. Die Angreifer hatten nicht Bundesländer und Altreich unterschieden, sondern das gesamte Bundesgebiet als Einheit angesehen. Die Verhandlungen über die Neugestaltung des Deutschen Reiches dauerten bis 2077, bevor sie in der heute gültigen Form verabschiedet wurden.

Seither gilt, daß jedes Land der Erde um Aufnahme in den Deutschen Bund bitten konnte. Dieser Bitte mußte der Bundesrat in Karthago mit einfacher Mehrheit entsprechen. Nach frühestens 25 Jahren Mitgliedschaft im Deutschen Bund kann ein Bundesland die Aufnahme ins Deutsche Reich beantragen, was eine einstimmige Zustimmung des Bundesrates erforderte. Bei einer Ablehnung durfte der Antrag nach fünf Jahren erneut gestellt werden.

2077 wurden alle Länder, die bis 2052 dem Deutschen Bund beigetreten waren, in das Deutsche Reich aufgenommen. Dem Bundesland Kongo wurde eine Ausnahmeregelung zugestanden, welche es ihm ermöglichte, sofort Vollmitglied zu werden.

Das Deutsche Reich garantiert heute die Weltfriedensordnung. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hatte das Dunkle Imperium die Welt mit Kriegen überzogen, sie rücksichtslos ausgebeutet und die Menschen versklavt. Zum Ende des Jahrhunderts ist es das Lichte Imperium, das allen Völkern der Welt die Freiheit ermöglicht, das für Frieden und Ausgleich sorgt. Das Deutsche Reich könnte die Erde beherrschen, doch es steht gleichberechtigt neben Großrußland, der Chinesischen Föderation, dem Indo-Arischen Imperium, Großfrankreich und allen kleineren Staaten.

Ich bin froh, im Reich von Kaiser Wilhelm IV. zu leben.” Anton projizierte das Portrait des Kaisers. Wilhelm Sedaje Magote hatte vor sechs Jahren die Wahl zum Kaiser gewonnen und herrschte nun als erster Mann aus der Provinz Kongo über den Reichsverband. Das Wahlkaisertum hatte das Erbkaisertum des frühen 21. Jahrhunderts abgelöst und sich als deutlich besser erwiesen. Anton wäre gerne darauf eingegangen, aber das gehörte nicht in Geschichte, sondern in den Kurs Reichsbürgerkunde, den er im vergangenen Jahr absolviert hatte.

Dr. Eßl nickte zufrieden. “Ihr habt sehr gut gearbeitet. Euer Vortrag war überzeugend, ebenso eure Mappe. Ich habe nur ein paar Kleinigkeiten korrigieren müssen, nicht sehr viel, aber genug, um euch mit 14 Punkten zu bewerten, also einer glatten Eins. Sieht das die Klasse auch so?”

Dr. Ubunte Eßl schaute seine 24 dunkelhäutigen Schüler an. In den letzten 20 Jahren war es hier im südlichen Deutschland in Mode gekommen, altdeutsche Namen als Rufnamen zu verwenden. Die traditionellen afrikanischen Namen setzten sie dahinter, als zweite Vornamen. Aber wie lange noch? Immer weniger Leute sprachen noch die alten Stammesdialekte, war doch Deutsch nicht nur die Sprache des Reiches, sondern auch die Umgangssprache im weltweiten Rechnernetz.

Die Schüler hatten keine Einwände. Dr. Eßl hätte seine Entscheidung im Zweifelsfall durchsetzen können, doch das hätte die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Schülern gestört. Das deutsche Reich war auf dieses gegenseitige Vertrauen aufgebaut, nicht auf Konfrontation und Unterdrückung. Diese Zeiten waren endgültig vorbei, im gerade begonnenen 22. Jahrhundert. Überall im Reich sahen die Menschen hoffnungsvoll der Zukunft entgegen, auch hier, am Fuße des schneebedeckten Kilimandscharo, des höchsten deutschen Berges.


Quelle: Michael Winkler
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Mitzerl



Anmeldungsdatum: 29.01.2006
Beiträge: 92

BeitragVerfasst am: Mi Jul 11, 2007 10:13 am    Titel: Antworten mit Zitat

*
…dann doch lieber untergehen.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen    www.meidling-forum.at Foren-Übersicht -> KOMMENTARE, FEUILLETONS Alle Zeiten sind GMT + 2 Stunden
Seite 1 von 1

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.


Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group